Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
war.
»Drei, sieben, neun … ungerade Zahlen symbolisieren das Männliche, heißt es. Man glaubte auch, dass eine Hexe kein geknotetes Band durchtrennen kann«, sagte der Historiker.
»Daran glaubte man vielleicht vor langer Zeit. Der gute Eugen kann nicht der Hellste gewesen ein, wenn ihm so etwas eingefallen ist, aber damals ist nicht heute.« Sie sagte es und wusste gleichzeitig, dass Menschen fähig waren, an völlig unsinnigen Dingen festzuhalten.
»Die dunklen Schatten des Heute sind oft Überreste vom Damals.«
Diese Äußerung würde sich Althea merken. Wie sonst sollte man eine Handlung wie diese an einer Leiche erklären? Der Täter hatte Leonie erschlagen und dann den Anschein geben wollen, eine Hexe getötet zu haben. Oder hatte der Mörder das wirklich geglaubt?
»Warum hat er ihre Kleidung genommen?« Althea hatte »er« gesagt, weil sie tatsächlich an einen Mann glaubte.
»Er hat ihr nicht alles genommen, vielleicht aus Scham. Kennen Sie die Geschichte ›Des Kaisers neue Kleider‹? Nackt ist er ein Nichts und wird verlacht«, sagte Lichtenfels. »Hier könnte jemand zornig gewesen sein. Und gewollt haben, dass man Leonie so sieht … wie ein Nichts. Oder es ist ganz einfach und hat keine besondere Bedeutung. Der Mörder hatte es nur eilig.«
Es hörte sich brutal an, einen Menschen als Nichts zu bezeichnen.
»Die Kleidung muss noch irgendwo sein und auch die Tatwaffe«, sagte Althea. Sie machte einen Unterschied; Kleidung schwimmt, sie hatte man vermutlich nicht im See entsorgt, wohingegen ein Werkzeug unterging.
Sie hatten die Tote auf der Krankentrage neben die aufgebahrte Schwester Zeta geschoben, die am nächsten Tag beerdigt werden sollte.
Althea zog die Plane von Leonies Körper. Jadwiga und sie waren allein, Karl Lichtenfels und Dieter Hardy mit Valentin zu ihrem Hotel zurückgegangen.
»Eine Tote ist nicht genug. Himmlischer Vater, wie sollen wir diese schwere Prüfung überstehen?«
»Du bezeichnest einen schändlichen Mord doch nicht allen Ernstes als Prüfung!« Althea würde ihr ein anderes Mal beipflichten, wenn sie zu mindestens siebzig Prozent der gleichen Meinung war.
»Ich habe Angst, Schwester Althea. Es ist spät genug, um so ehrlich und offen zu sein. Nein, es ist keine Prüfung, es ist ein barbarisches Werk. Aber der Erzbischof wird dem Kloster die Schuld geben, und sein Ermittler dürfte einiges finden, was er zu unseren Ungunsten verwenden kann. – Ich bete um einen, der für uns in den Kampf zieht.«
»Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott«, sagte Althea. »Auf den einen können wir nicht warten.«
Althea tauschte ihre Chiemsee-Stiefel gegen Hausschuhe.
Wenn sie später noch einmal hinauswollte, dann wäre es sinnvoll, in trockene Schuhe zu steigen. Aber sie hatte nur dieses eine Paar, und das war klitschnass. Sie stellte die Stiefel unter die Heizung, damit sie wenigstens ein bisschen zu trocknen begannen.
Als Nächstes überprüfte sie ihre Fotokünste. Dazu klickte sie das Menü auf Dalmetias Kamera an und hoffte, dabei keinen fatalen Fehler zu machen. Die Bilder konnte sie aufrufen. Auf dem kleinen Display sahen sie … klein aus, aber wenigstens war alles drauf. Vergrößert oder ausgedruckt müsste man genug erkennen können.
Sie brauchte einen Beutel, falls es etwas zu finden gab. Eingefroren wurde wenig in der Klosterküche, die stets auf Frische bedacht war, aber Gefrierbeutel dienten ja auch anderen Zwecken. Althea würde sich ein paar organisieren.
Und bei der Gelegenheit würde sie auch noch einmal nach Susanne schauen.
Sie öffnete leise die Tür. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, und der Mond schien ins Zimmer. Es hatte aufgeklart, was hieß, es war noch kälter geworden.
Die Novizin schlief, doch Althea konnte die Tränenspuren auf ihrem Gesicht sehen.
Sie schloss die Tür wieder. War womöglich auch Susanne in Gefahr? Althea beschloss, ein Auge auf die Novizin zu haben, außerdem wollte sie Eberhards Geheimnis ergründen. Eberhard wer?
Susanne wusste etwas, und Althea wollte mit ihr reden, bevor die Polizei es tat.
Es schlug Mitternacht, und brave Nonnen hatten um diese Zeit draußen nichts mehr verloren, doch Althea war nie brav gewesen. Sie hatte abgewartet, bis alles ruhig war. Selbst zu Jadwiga hatte sie nichts gesagt, es hätte sie womöglich aufgeregt – und Althea wollte unbedingt nachschauen, ob am Tatort oder in der Nähe noch etwas zu entdecken war.
Karl Lichtenfels hatte von Eile gesprochen, und so war es möglich,
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