Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
der Hexerei angeklagt worden war und die auf dem Scheiterhaufen gebrannt hat. Andreas dachte sich, Leonie könnte gar nicht bleiben, wenn das bekannt würde. Denn es gab ja schon eine Hexe – die Frau im Baum.«
Jetzt hatte er Stefan überrascht. »Wer sagt das?«
»Andreas hat das Zeichen auf ihrem Oberkörper gesehen.«
Und Andreas Bacher kannte sich offenbar damit aus.
Stefan hatte nichts Entlastendes gehört, nicht das Geringste. Die Zeitabweichung, die zu großen Schuhabdrücke, das genügte nicht, um echte Zweifel aufkommen zu lassen. Er verstaute das Notebook in seiner Tasche im Wagen und genoss erst einmal ein paar tiefe Atemzüge klarer, kalter Winterluft.
Dann funktionierte auch sein Gehirn wieder, das die Stapelia mit ihrem pestilenzartigen Gestank massiv beeinträchtigt hatte.
Stefan ließ den Wagen an. Sein nächstes Ziel war das Haus des Andenken- und Antiquitätenhändlers.
Patrick Haberl hielt Stefan keine Stinkpflanze vor die Nase, dafür wehte ihm eine ziemliche Alkoholfahne entgegen. Das dümmliche Grinsen passte dazu. »Immer herein, Herr Kommissar«, klang es undeutlich. Es war erst Mittag, aber vielleicht lag der Beginn der Feier schon etwas länger zurück. Genau danach sah es aus. Hier wurde etwas gefeiert. Und alle Beteiligten waren anwesend. Stefan grinste nicht zurück. Selten hatte man so viel Glück. Und selten saß man derart in der Falle. Stefan war klar, es wäre schlau gewesen, sich um Verstärkung zu kümmern. Aber die Patrouillen waren abgezogen worden.
Er brauchte nicht in das fürchterliche Zimmer mit den Reliquien und der bedrückenden Ausstattung, das Gelage fand in der Küche und im angrenzenden Wintergarten statt.
»Die Polizei, die nebenbei gar nichts macht«, dichtete ein großer Blonder, wofür er beklatscht wurde.
»Die Polizei, die ganz nebenbei«, Stefan zählte, »fünf Leute wegen gefährlicher Körperverletzung festnehmen könnte und einen wegen Aufforderung zu einer Straftat.« Er sah Patrick Haberl an und hoffte, Johannes Färber und Heidelinde Bacher würden keinen Rückzieher machen.
Stefan hatte das Telefongespräch entgegengenommen, Heidelindes Aussage aber noch nicht protokolliert. Sie hatte ihm bislang nur von ihrer Beobachtung berichtet, ihr sei in jener Nacht das Auto des Bürgermeistersohnes begegnet, und Johannes Färber hatte bestätigt, dass Patrick Haberl unter den Jugendlichen Stimmung gegen Andreas Bacher gemacht hatte.
Stefan Sanders war mit nichts hierhergekommen und lehnte sich grade weit aus dem Fenster. Er hatte »festnehmen könnte« gesagt. Die Rotte hatte ihn ins Visier genommen. Polizei, das machte überhaupt keinen Eindruck.
»Zeugen?«, fragte Patrick Haberl.
»Ohne Zeugen zu haben, hätte ich mir den Weg gespart«, erklärte Stefan. »Helfen Sie mir, ich versteh es nicht. Was haben Sie ihnen gesagt – dass alles erlaubt ist, was beliebt? Gehen die Fünf auch für Sie ins Gefängnis?«, sagte er, an Patrick Haberl gewandt. »Sie hätten den Jungen zur nächsten Polizeistation bringen können. Hirnlos draufprügeln, Andreas Bacher stirbt vielleicht. Ein Mord für einen Mord?«
Schaurig war, dass daraufhin nur gleichgültig mit den Schultern gezuckt wurde. Stefan lief eine Gänsehaut über den Rücken.
Er sah sich nach Petra Haberl um, entdeckte sie aber nirgendwo. Interessierte sie denn nicht, was in der Zwischenzeit passiert war? Wollte sie nicht hören, ob sich etwas ergeben hatte, und was? Stefan hatte keine solchen Informationen, die würde er frühestens im Laufe des morgigen Tages von Siglinde Servus bekommen, doch ihn irritierte ihre Abwesenheit. Sogar mehr als das …
Mit einem Mal überkam ihn das Gefühl, dass etwas nicht stimmte – jenseits der Tatsache, dass diese Jugendlichen Andreas Bacher beinahe zu Tode geprügelt hatten.
»Wo ist Ihre Frau?«, fragte er Patrick Haberl.
Der zeigte ihm seine leeren Handflächen, als hätte sich der Kriminalkommissar gerade Geld von ihm leihen wollen.
Er hätte ihn gern geschüttelt. Vielleicht würde er es noch tun.
Hier stimmte etwas ganz und gar nicht.
»Wo ist Ihre Frau? Ich werde nicht noch mal fragen!«
»Vielleicht hab ich sie eingesperrt«, kam es zurück.
Stefan wusste, dass man das gegen ihn verwenden konnte, aber es war ihm egal. Er packte Haberls Arm, die andere legte er ihm in den Nacken und drückte zu. »Bitte nach Ihnen«, raunte er ihm ins Ohr. Haberl schrie auf. Stefan verstärkte den Druck.
Hinter ihm sagte jemand lahm: »He.« Es klang unsicher,
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