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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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zeigte viel zu viel Ausschnitt, sie hatte einen breiten Hintern, und ihre Ausdrucksweise war schrecklich umständlich. Ich will nicht behaupten, nie mit solchen Mädchen getändelt zu haben, doch ich war jetzt erwachsen. Ich wurde sehr erwachsen, wenn ich unter Helena Justinas Beobachtung stand. Eines hatte ich über aristokratische Mädchen gelernt: Sie konnten sehr anrüchig sein – so anrüchig, dass es schockierend war –, aber nur in privater Gesellschaft. Ich betrachtete es als Ehre, einbezogen zu sein, offen gesagt.
    Auf die Gefahr hin, einen weiteren Ansturm von hohlem Geschwätz auszulösen, fragte ich das Mädchen, ob es etwas über den Nachmittag wisse, an dem Scaeva gestorben war. »Nein.« Zu schnell. Sie wusste etwas, war aber angewiesen worden, den Mund zu halten.
    Was auch immer sie wusste, der Haushofmeister wusste es ebenfalls, log aber genauso. Sie versteiften sich beide darauf, dass nichts Seltsames geschehen sei, bis die Leiche entdeckt worden war. Ich bat dann darum, noch einmal mit dem jungen Flötenspieler sprechen zu dürfen, da ich dachte, dass Helena, die stets das Herz junger Burschen gewann, etwas aus ihm herauskriegen könnte. Wieder wurden wir enttäuscht. Der Haushofmeister teilte uns mit, der Junge sei fortgelaufen.
    »Geschah das unerwartet? Ist er immer gut behandelt worden?«
    »Selbstverständlich. Hier fühlen sich alle wohl. Keiner läuft je weg. Unser Herr, ein sehr warmherziger Besitzer, ist entsetzt. Er hat eine große Suche veranlasst, zum Wohle des Jungen. Er hat viel von seiner Zeit dafür geopfert. Der arme Junge stand noch immer unter Schock und war schrecklich verstört. Quadrumatus und der ganze Haushalt machen sich große Sorgen um sein Wohlergehen.« Ich sah, wie Helenas Augen schmal wurden, als wäre sie der Ansicht, das Ausmaß der Besorgnis sei bedeutungsvoll.
    »Kein Glück bei der Suche?« Ich kannte die Antwort.
    »Keines, Falco.«
    Quadrumatus Labeo oder Drusilla Gratiana begegneten wir nicht. Beide waren an diesem Nachmittag in der Stadt. Aber Helena, die Pflicht über jegliches Risiko stellte, unfreundlich behandelt zu werden, nahm es auf sich, mit Phryne, der schwarzgekleideten Dienstbotin, zu sprechen. Ich überließ es ihr allein.
    Als Helena zurückkam, murmelte sie: »Phryne war durchaus freundlich zu mir, Marcus. Du musst den Dreh verlernt haben.«
    »Du meinst, sie ist eine bösartige alte Hexe.«
    Helena lächelte. »Ist wohl nicht auf deinen Charme reingefallen, was? Na gut, sie ist ziemlich sauertöpfisch … Ich bin mir sicher, dass sie viel mehr weiß, als sie uns erzählt hat …«
    »… doch sie wird es aus Prinzip niemals preisgeben.«
    Als ich das letzte Mal hier war, hatten sie es geschafft, den Eindruck vollkommener Offenheit zu vermitteln. Ihre Geschichte war so kompakt gewesen wie ein Lehmziegel. Sie hatten alle dasselbe erzählt. Heute bröckelte das sorgsam errichtete Gebäude bereits ab. Fast alle, mit denen wir sprachen, waren offenkundig unzuverlässig. Vielleicht lag es daran, dass mich heute niemand erwartet hatte. Niemand war vorbereitet. Der Lack war ab.
     
    Der Haushofmeister erlaubte uns, alle Schauplätze von Bedeutung erneut zu besichtigen, und so konnte ich sie Helena zeigen. Er machte sich aus dem Staub, als wäre er erleichtert, uns loszuwerden. Ein junges Mädchen wurde dazu abgestellt, uns in den Salon zu begleiten, in dem der Mord passiert war, und dann zu Veledas Unterkunft, vorbei an dem Atrium. Wir hätten unsere Begleiterin aushorchen können, doch sie war anscheinend eine Neuerwerbung für dieses wunderbare Haus, kam direkt vom Schiff aus dem Land der Skythen und sprach kein Latein.
    Während wir uns draußen umschauten, redeten wir unverfroren darüber, ob es wahrscheinlich war, dass ein Haushalt wie dieser Sklaven kaufen würde, die nicht kommunizieren konnten. Mücken bei den prächtigen, malerischen Kanälen belästigten Helena, und so gingen wir durch die in Form geschnittenen Hecken zu unserer Mietkutsche zurück. Ein Mann stand hoffnungsvoll daneben. »Könnten Sie mich vielleicht mit nach Rom zurücknehmen?« Bevor ich ihm sagen konnte, er solle sich verpissen, stellte er sich als Aedemon vor, der Arzt, der Quadrumatus Labeo behandelte. Ich zwinkerte Helena zu, aber sie versicherte ihm bereits freundlich, wir hätten genügend Platz für einen so schmalen Mann.
    Sie machte wohl Witze! Aedemon wog an die dreihundertsechzig römische Pfund. Wie viele Übergewichtige ließ er keine Anzeichen erkennen,

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