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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Unterschlupf zahlte, trat ich mit der höflichen Geste eines Gastgebers beiseite, um ihn als Ersten durch wacklige Falttüren in den trostlosen Innenraum treten zu lassen. Petronius erhob sich, dehnte ein letztes Mal schwerfällig seine Schultern und überredete seine müden Glieder, sich zu bewegen.
    Ich hielt ihn zurück. Ein Geräusch hatte meine Aufmerksamkeit erregt, irgendwo in dem Gewirr dreckiger Gassen, verschlungen wie triste Wollfäden in einem alten Korb, sechs Stockwerke unter uns.
    Petronius hielt mich für einen Zeitverschwender. Dann hörte er es auch. Jemand spielte dort in der Dunkelheit ein paar einsame Töne auf einer Flöte.

XXXVI
    W ir hatten nicht die geringste Chance, ihn zu finden. Wer auch immer da geflötet hatte, ging seiner Wege. Bis wir endlich im Dunkeln die sechs Treppen hinuntergeschlittert waren und auf die Straße stürmten, war jedes Geräusch verstummt.
    »Klang professionell.«
    »Kneipenmusiker auf dem Heimweg. Hat für ein paar Kupfermünzen die ganze Nacht zwischen den Tischen rumgedudelt.«
    »Dafür war es zu gut.«
    »Kneipenmusiker sind verdammt gut. Müssen sie auch, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.«
    »Ich will, dass es der Flötenjunge des Quadrumatus ist.«
    »Du willst es zu sehr, Falco.«
    »Na gut.«
    »Das ist tödlich.«
    »Ich hab na gut gesagt. Reicht das jetzt?«
    »Brauchst ja nicht gleich ausfallend zu werden.«
    »Dann bausch es nicht so auf.«
    »Du klingst wie eine Frau.«
    »Wir sind betrunken.«
    »Nein, wir sind müde.«
    »Eine Frau würde sagen, das benutzen Männer dauernd als Ausrede.«
    »Sie hätte recht.«
    »Genau.«
    Also sagten wir uns gute Nacht. Petronius behauptete, sein Dienst sei noch nicht zu Ende. Er würde zum Gelage zurückkehren, nahm ich an. Ich machte mich auf den Heimweg. Unterwegs hielt ich Ausschau nach dem Flötenjungen, sah ihn aber nirgends. Kaum jemand war noch auf den Straßen. Selbst die schlimmen Jungs blieben in diesen Nächten daheim. Einbrecher feierten mit ihren Familien wie alle anderen auch. Kriminelle ehren Feiertage mit Begeisterung. Vor einer Woche hatte es eine wahre Diebstahlsflut gegeben, da die alten Knastbrüder schwer daran arbeiteten, genug Geld für Essen, Lampen und Geschenke zusammenzubringen. Wenn Ihnen nach einem guten Dezember-Festmahl ist, verbringen Sie die Saturnalien mit einem Dieb.
    Jetzt war in den dunklen Eingängen und Gassen alles still. Ich redete mir ein, ich sei nüchterner, als andere denken würden, und wachsam gegenüber jedem, der durch die Schatten schlich.
    Als Theorie war das gut. Es funktionierte sogar so gut, dass ich, als ich auf Zosime vom Aesculapius-Tempel stieß, die einen Patienten an einer Treppe behandelte, beinahe über die beiden fiel.
     
    Zosime arbeitete allein. Ihren Esel musste sie irgendwo in der Nähe gelassen haben. Sie hatte eine Arzneitasche dabei, und als ich ankam, hatte sie sich gerade über eine reglose, auf den Stufen zusammengesunkene Gestalt gebeugt. Ich jagte ihr einen Schrecken ein. Sie sprang auf, stolperte beinahe und ging hastig auf Distanz zu mir. Ihre Ängstlichkeit schockierte mich.
    »Ganz ruhig. Ich bin’s, Falco. Der Ermittler.«
    Zosime fing sich rasch wieder. Sie wirkte verärgert über diese Störung, vielleicht aber auch darüber, hochgefahren zu sein. Sie war tatkräftig und wusste, wie man nachts auf den Straßen überlebte, und so wäre ich wohl weitergegangen, doch als sie sich wieder ihrem Patienten zuwandte, stieß sie einen leisen Laut aus.
    »Was ist los?«
    Sie richtete sich abrupt auf. »Wir bekommen zu viele von denen … Der Mann ist tot, Falco. Ich kann nichts mehr für ihn tun. Das enttäuscht mich. Ich hatte ihn behandelt und dachte, er sei auf dem Wege der Besserung.«
    Ich trat näher heran und musterte den Landstreicher. Den Mann hatte ich noch nie gesehen. Ich bezweifelte, dass irgendjemand in Rom ihn als Freund oder Verwandten wiedererkennen würde. »Woran ist er gestorben?«
    »An dem Üblichen.« Zosime packte ihre Arzneien wieder ein. »Kälte, Hunger, Verwahrlosung, Verzweiflung, Brutalität. Diese Jahreszeit ist schrecklich für Obdachlose. Alles ist geschlossen, nirgends finden sie Unterschlupf oder Anteilnahme. Während eines Festes, das sich über eine ganze Woche hinzieht, verhungern viele.«
    Ich ließ ihre Tirade über mich ergehen. »Aber Sie glaubten, es ginge ihm besser.« Ich hatte mich auf ein Knie niedergelassen und betrachtete ihn genauer. »Sein Gesicht ist verfärbt. Ist er

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