Mord im Dirnenhaus
wahr?»
Franziska blickte unsicher zwischen der Tür zum Hinterzimmer und Adelina hin und her.
«Nein, schon lange nicht mehr.» Mit dem Ärmel wischte sich Adelina über die Augen, dann richtete sie sich wieder auf und straffte die Schultern. «Hab bitte ein Auge auf ihn. Ich werde die Apotheke für eine Weile schließen, um Malerfarben an Meister Grunert auszuliefern. Ludowig wird mich begleiten.»
Franziska nickte. «Soll ich so lange den Fußboden in der Apotheke schrubben?»
«Das ist eine gute Idee. Und schau, ob du nicht auch die Gewichte in der Waagschale polieren kannst, bis sie wieder richtig glänzen.»
Rasch holte Adelina das Päckchen mit den Farben und ging in den Garten, um nach Ludowig zu rufen.
***
Die Weckschnapp war ein kleines Türmchen, welches direkt an das Rheinufer gebaut war, etwas unterhalb der St. Kunibertstorburg. Die Torburg markierte den Punkt, an dem alle Schiffer, die von flussaufwärts kamen, anhalten mussten. Das Stapelrecht der Stadt Köln gebot ihnen, all ihre Waren kontrollieren zu lassen und dann drei Tage lang in der Stadt zum Verkauf anzubieten. Die Weckschnapp beherbergte Wachposten, die zu verhindern hatten, dass jemand das Stapelrecht umging und einfach an der Stadt vorbeifuhr.
Adelina pochte mit dem schweren Eisenring an die dunkle Eichentür. Früher hatte man das Türmchen nur durch einen schmalen Einstieg weit oberhalb derStraße betreten können, doch als hier ein paar Gefängniszellen eingerichtet worden waren, hatte man einen ebenerdigen Eingang gebaut.
Zusammen mit Ludowig war Adelina am folgenden Tag zu dem Gefängnisturm gefahren, und ersuchte nun durch lautes Klopfen um Einlass. Es dauerte eine geraume Weile, bis von innen Schritte laut wurden.
«Was wollt Ihr?», fragte ein unfreundlich aussehender junger Soldat mit Fettflecken auf dem Wächtermantel.
Adelina wechselte den großen Korb, den sie bei sich trug, vom rechten auf den linken Arm.
«Ich möchte zu der alten Frau, Ludmilla.»
«Zu der Hexe?» Der Wachmann musterte Adelina überrascht. Sie hatte heute das Gewand angelegt, das sie mit den typischen Farben rotbraun und grün als Meisterin der Zunft Himmelreich auswies. Sie hoffte, sich damit ausreichend Respekt zu verschaffen. Zwei Schritte hinter ihr stand Ludowig und hielt das Pferd am Zaumzeug, um es bei Bedarf zur Seite zu führen, falls die kleine Kutsche die enge Gasse versperren sollte.
«Ich soll niemanden zu ihr lassen.»
«Ist die Befragung noch nicht beendet?»
Der Wachmann runzelte die Stirn. «Soweit ich weiß, wurde sie gestern …»
«Dann darf ich sie heute besuchen. Herr Reese, der Ratsherr, hat es mir zugesagt.» Mit hochmütigem Blick sah Adelina ihm in die Augen, und das oder der Name Reese schien zu wirken.
«Also gut, von mir aus. Aber ich muss Euren Korb da untersuchen.»
Nun mit weitaus freundlicherem Blick reichte Adelina ihm den Korb. Er enthielt ein noch lauwarmes Brot, ein Bündel Möhren und obenauf eine Wolldecke.Mit einem Brummen winkte der Soldat, sie solle ihm folgen. Ludowig machte einen Schritt auf den Eingang zu. «Herrin, soll ich Euch nicht lieber begleiten?»
Doch sie schüttelte den Kopf und lächelte ihm beruhigend zu. «Nein, bleib du bei dem Pferd. Es wird nicht lange dauern.»
Sie folgte dem Soldat eine schmale steinerne Treppe ohne Handlauf hinauf in das erste Stockwerk. Dort schloss er eine niedrige Eisentür auf und wies in die kleine Kammer, die sich dahinter befand. «Ich muss hinter Euch abschließen. Ruft, wenn etwas ist. Ich bleibe in der Nähe.»
Adelina trat durch die Tür, die sogleich wieder zugeworfen wurde. Das metallische Knirschen des Riegels hallte unheimlich laut zwischen den steinernen Wänden wider.
Die Zelle war winzig, vielleicht vier Schritte lang und genauso viele breit. Erhellt wurde sie durch eine schmale Schießscharte, durch die nicht einmal eine Katze hätte entschwinden können. Dennoch war sie vergittert. Links neben der Tür stand ein Fäkalieneimer, daneben ein Krug mit Wasser und ein Napf mit einem Kanten Brot darin. Rechts sah sie eine dünne Strohschütte auf dem Boden. Darauf lag, das Gesicht zur Wand gedreht, die Weise Frau.
«Ludmilla?»
Adelina ging neben ihr in die Hocke und berührte sie vorsichtig an der Schulter.
«Was suchst du hier? Verschwinde, das ist kein Ort für dich.»
Ludmilla hatte zur Wand gesprochen, doch als Adelina nicht auf ihre Worte reagierte und die Hand auf ihrer Schulter ruhen ließ, drehte sie sich langsam um.Ihr Gesicht
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