Mord im Dirnenhaus
Schlupfhure?»
Neklas zuckte zusammen, nickte dann jedoch. «Wie gesagt, ich war jung, und, also …»
«Du gingst zu ihr», vollendete Adelina den Satz. Sie war weder überrascht noch schockiert. Neklas hatte ihr bereits Dinge aus seiner Vergangenheit anvertraut, die wesentlich schlimmer waren als dies.
Er nickte langsam vor sich hin. «Sie war, nun ja … Als ich dann in Salerno war, viele Monate später, erhielt ich einen Brief von ihr, den sie einem Handelsboten mitgegeben hatte. Darin stand, dass sie ein Kind von mir bekommen habe, jedoch nicht wünschte, dass ich noch einmal Kontakt mit ihr aufnehme, da sie mittlerweile mit einem ehrbaren Kaufmann verheiratet sei, der das Kind als seines angenommen hätte.»
«Warum hat sie dir dann überhaupt eine Nachricht geschickt?»
Neklas hob die Schultern. «Das weiß ich nicht. Vielleicht dachte sie, dass es mein Recht sei, über das Kind Bescheid zu wissen. Als ich später noch einmal kurz nach Kortrijk kam, hatte sie mit ihrem Mann die Stadt verlassen.»
«Und warum ist Griet jetzt hier?» Adelina griff nach ihrem Becher und trank einen kleinen Schluck. Neklas tat es ihr nach, senkte dabei jedoch betrübt die Augen. «Meine Mutter wusste von der Geschichte. Und als ich zu ihr kam, erzählte sie mir, sie habe gehört, dass Isabell verstorben sei und dass ihr Gemahl, übrigens kein Kaufmann mehr, sondern mittlerweile ein Schänkenwirt, wieder heiraten wolle, jedoch nun nicht mehr gewillt sei, seine Stieftochter durchzufüttern.»
«Du liebe Zeit.» Adelina schüttelte verständnislos den Kopf. «Das muss aber ein grausamer Mensch sein.»
«Ein liebenswürdiger Patron ist er jedenfalls nicht. Ich ging natürlich zu ihm, und er verlangte doch tatsächlich von mir eine Entschädigung für die Jahre, in denen er Griet versorgt hat.»
«Er hat Geld von dir verlangt?» Adelina riss die Augen auf. Als Neklas nicht gleich antwortete, sprang sie empört auf. «Du hast ihm das Geld gegeben? Hastdeine Tochter von ihm zurückgekauft?» Nur mit Mühe unterdrückte sie den Drang, laut zu fluchen. Neklas stand nun ebenfalls auf und trat mit zornigem Blick auf sie zu. «Was hätte ich denn tun sollen? Sie bei ihm lassen? Adelina, sie war vollkommen verwahrlost. Er hatte sich seit Isabells Tod vor knapp einem Jahr kaum mehr um sie gekümmert! Sie war praktisch seine Dienstmagd.»
«Ein Grund mehr, ihm nicht auch noch Geld in den Rachen zu werfen.» Fassungslos starrte Adelina ihm ins Gesicht, dann ließ sie sich kraftlos auf die Ofenbank sinken. «Du bist viel zu gutmütig. Windelweich hättest du ihn prügeln sollen. Das hätte ihm eher angestanden.»
«Zu gutmütig? Ich?» Neklas lehnte sich gegen den Küchentisch und sah sie lange an. Dann, plötzlich, umspielte ein amüsiertes Lächeln seine Lippen. «Und das von der Frau, die einem wildfremden, verlotterten Mädchen Geld zugesteckt hat, weil es keine Schuhe besaß.»
«Das ist etwas anderes. Franziska ist …»
«Mittlerweise eine tüchtige Magd, ich weiß.» Neklas grinste. «Willst du nun den Rest der Geschichte hören oder nicht?»
«Du hast ihm also Geld gegeben. Wie viel?»
Als Neklas die Summe nannte, fasste Adelina sich schnaufend an die Stirn, sagte jedoch nichts. Neklas berichtete weiter: «Ich brachte Griet in das Haus meiner Mutter. Doch obwohl Mutter sich inzwischen erholt hatte, hielt ich es nicht für richtig, die Kleine dort zu lassen. Außerdem wusste ich ja, dass du nach einem Lehrmädchen suchst. Griet kann zwar weder lesen noch schreiben, aber vielleicht kann sie zunächst einmal fürein oder zwei Jahre in eine der Klosterschulen gehen. Die Beginen in der Mühlengasse geben, glaube ich, ebenfalls Unterricht. Und du könntest schon nebenher beginnen, sie in die Lehre zu nehmen. Da sie eine Tochter des Hauses ist», hier grinste er wieder schief, «wird die Zunft auch keine Einwände erheben.»
«Neklas, ich habe bereits ein Lehrmädchen», sagte sie ruhig.
Er hob ruckartig den Kopf. «Du hast was?»
«Ein Lehrmädchen.» Adelina seufzte. «Ich habe Meister Leuer gerade heute zugesagt. Sie heißt Mira von Raderberg, ist elf …»
«Du liebe Zeit. Eine Adelige auch noch? Ich kenne sie, oder vielmehr ihren verstorbenen Vater. Sollte das Mädchen nicht eigentlich ins Kloster geschickt werden?»
«Ja, aber die Mutter …»
«So was aber auch», unterbrach Neklas sie erneut und ließ sich nun wieder auf die Bank am Esstisch sinken. «Nun, wie es aussieht, hast du dann jetzt wohl zwei
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