Mord im Dirnenhaus
heimlich ins Haus geschlichen hat?»
«Dieser Mistkerl!» Neklas ließ ihr Handgelenk losund rannte nun fast die Kellertreppe hinab. Adelina sah ihm mit gemischten Gefühlen hinterher, entschied sich jedoch, ihm nicht zu folgen. So zornig hatte sie Neklas noch nie erlebt, und seine Reaktion auf diesen Dominikaner machte ihr Angst. Als sie ihn unten rumoren hörte, drehte sie sich auf dem Absatz um und ging zur Hintertür hinaus in den Garten, um nach Griet und Mira zu rufen. Es wurde Zeit, das Essen zuzubereiten. Was brachte es, wenn durch all die Aufregung ihr Haushalt auch noch hungern musste?
Als sich alle am Küchentisch versammelt hatten, war es bereits stockdunkel, denn über der Stadt türmten sich finstere Wolken auf. Der Wind wurde stärker und rüttelte an den Fensterläden; in der Ferne grollte der erste Donner. Vitus jammerte, weil seine Katze noch nicht nach Hause gekommen war, und die Mägde warfen einander bei jedem Geräusch besorgte Blicke zu.
Neklas kam herein, nahm sich schweigend seinen Teller und füllte ihn im Stehen mit Grützwürsten und Gemüse. Mit der freien Hand goss er Bier in seinen Becher und nahm dann beides mit hinauf in die Schlafkammer. Niemand verlor ein Wort darüber, doch Adelina spürte die Verwunderung beim Gesinde.
Sie ging nicht auf das merkwürdige Verhalten ihres Gemahls ein, sondern sprach wie üblich das Tischgebet. Sich selbst konnte sie jedoch nichts vormachen. Neklas hatte eben noch schlimmer als vorhin ausgesehen; wie das heulende Elend. Was auch immer los sein mochte, sein Anblick hatte ihr geradezu körperliche Schmerzen bereitet, und nun verging ihr beim Anblick des Essens beinahe der Appetit. Im Stillen verfluchte sie Bruder Thomasius, denn allein ihm schrieb sie all die Unbillzu, die in den beiden vergangenen Tagen über sie gekommen war.
So elend sie sich auch fühlte, sie zwang sich, in Ruhe zu essen.
Erst als alle fertig waren und die Mägde die Küche aufräumten, beschloss sie, nach Neklas zu sehen.
Mittlerweile war das Donnergrollen ein gutes Stück näher gekommen. Da sie den Mädchen ansah, dass sie sich ein wenig fürchteten, erlaubte sie ihnen, noch ein Weilchen in der Küche zu bleiben. Vitus hingegen verkroch sich, noch immer weinerlich wegen seiner Katze, in seine Kammer, und auch ihr Vater empfahl sich und legte sich zu Bett.
Adelina entzündete eine kleine Öllampe und stieg langsam die dunkle Stiege hinauf. Ihr war noch immer übel vor Sorge. Als ein greller Blitz das Haus gespenstisch erhellte, blieb sie erschrocken stehen. Mit klopfendem Herzen lauschte sie dem tiefen Grollen, das wie eine Welle immer näher brandete. Einen Augenblick lehnte sie sich gegen die Wand und atmete tief durch. Das fehlte ihr noch, dass sie durch all die Aufregung durchdrehte. Sie schloss einen Moment die Augen und kämpfte die vielen Fragen, die in ihrem Kopf herumspukten, nieder. Eins nach dem anderen. Sie würde ihre Antworten schon bekommen und diesem Spuk ein für allemal ein Ende setzen. Entschlossen straffte sie die Schultern, stieg die letzten Stufen hinauf und stieß die Tür zur Schlafkammer auf.
Mitten im Zimmer blieb sie stehen und blickte auf Neklas, der vollständig bekleidet auf dem Bett lag und schlief. Er hatte sich auf die Seite gedreht, ein Arm baumelte an der Bettkante herab und auch ein Bein drohte abzurutschen. Auf der Ablage neben dem Bett standenTeller und Becher, beides schien er nicht angerührt zu haben. Bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass lediglich eine der Würste angebissen war.
Leise trat sie an das Bett heran und schob sein Bein von der Kante weg. Auch seinen Arm hob sie an, bettete ihn neben seinem Kopf, dann holte sie eine dicke Wolldecke aus der Lade neben dem Fenster und deckte ihn sorgfältig zu. Sie setzte sich auf die Bettkante und betrachtete ihn. Als er die Bewegung spürte, murmelte er etwas und griff nach ihr. Vorsichtig wollte sie aufstehen, um ihn nicht zu wecken, doch da schlang er den Arm um ihre Taille und zog sie näher zu sich heran.
Sie biss sich auf die Lippe. Diese unbewusste Geste und der feste Druck seines Armes rührten sie mit einem Mal so sehr, dass sie mit den Tränen kämpfte. Als es erneut blitzte und gleich darauf laut krachte, schien sich sein Griff noch um eine Spur zu verstärken. Wieder murmelte er etwas. Sie wagte nicht, sich zu rühren, sondern betrachtete ihn weiter im flackernden Schein der Öllampe und der immer wieder aufzuckenden Blitze.
Erschöpfung zeichnete seine Züge, aber
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