Mord im Labor
grobgewebten Anzüge, und
insgesamt wirkte er, als sei er soeben aus einem Teich herausgekrochen.
»Ah!« Er nahm die Pfeife aus
dem Mund und wies mit dem Stiel auf mich. »Der lokale Sherlock Holmes, der mit
einem Sack voll wichtiger Fragen zurückgekehrt ist, was?«
»Wie zum Beispiel die Frage,
was Sie vorgestern nacht zwischen zehn und zehn Uhr
fünfzehn in Everards Labor zu suchen hatten?« sagte
ich kalt.
Er sah mich verdutzt an. »Ich
war vorgestern nacht zu keinem Zeitpunkt in Everards Labor, Lieutenant. Ich war hier und habe an einem
Spezialprojekt gearbeitet. Ich ging irgendwann um elf Uhr herum weg, fuhr
geradewegs nach Hause und legte mich ins Bett.«
»Ich wollte bloß mal fragen«,
sagte ich und gab ihm dann den Zettel. »Ergibt das für Sie irgendeinen Sinn?«
Die Pfeife wurde wieder
zwischen die Zähne gerammt, er nahm das Papier und studierte es eingehend. Ich
zündete mir eine Zigarette an, während ich wartete.
»Soll das irgendein Scherz
sein?« Er gab mir den Zettel zurück.
»Das wollte ich von Ihnen
wissen«, sagte ich.
»Es handelt sich um eine
Kombination von LSD mit einem Element, das schlicht nicht existiert. Vielleicht
stammt es von einem Ihrer Schulfreunde?«
Ich biß die Zähne aufeinander.
»Erkennen Sie die Handschrift nicht?« fragte ich dann.
»Nein. Sollte ich sie kennen?«
»Es ist Everards Handschrift.«
»Wirklich?« Er nahm die Pfeife
wieder aus dem Mund und starrte mich verwundert an. »Wie faszinierend!«
»Wußten Sie, daß Mrs. O’Hara eine Nymphomanin war?«
»Sie sind heute eine
bemerkenswerte Quelle von Informationen, Lieutenant. Nein, um Ihre Frage zu
beantworten, das wußte ich nicht.«
» Everards schriftliche Unterlagen fehlen auch«, sagte ich. »Mr. Browning meint, jemand
müsse sie gestohlen haben.«
»Wollen Sie das mir in die
Schuhe schieben?«
»Wie Mr. Browning sagte, gibt
es nur drei Leute, die daran interessiert sein könnten — er selbst, Miss Speck
und Sie.«
»Ihre verdammte Unverschämtheit
und Ihre Unterstellungen ärgern mich wirklich.« Er starrte mich finster an, als
ob er mich soeben mit einem brennenden Zündholz in der Hand in einem mit
Benzinfässern gefüllten Lagerraum ertappt hätte.
»Ich wollte, Sie würden mal
versuchen, mir irgendwie behilflich zu sein«, sagte ich nachdrücklich, »anstatt
hier rumzustehen und an dieser verdammten Pfeife zu nuckeln. Und kommen Sie mir
nicht mit dem Quatsch, Sie seien ein Flaschenkind gewesen.«
Er grinste plötzlich. »Im
Vertrauen gesagt, Lieutenant, das ist alles Bestandteil meines Images,
Lieutenant. Mir ist die verdammte Affäre genau so zuwider wie Ihnen. Es gibt eine alte Binsenwahrheit, derzufolge einem Forscher kein Durchbruch mehr gelingt, wenn er ihn nicht vor seinem
dreißigsten Lebensjahr geschafft hat. Ich werde nächstes Jahr vierzig und habe
kein Papier veröffentlicht, das mir den Nobelpreis einbringen wird. Tatsache
ist, daß ich überhaupt keine Arbeit veröffentlicht habe. Nun nähere ich mich
sozusagen dem Stadium des älteren Staatsmannes — dem erfahrenen Gentleman—, der
all die Jahre solider Forschung hinter sich hat.«
»Es sieht ganz so aus, als ob
Browning gut daran getan hätte, mal über seine Schulter zu blicken.«
»Ganz recht. Und daß zwei
Angehörige seiner Belegschaft ermordet worden sind, hilft seinem Ansehen im
Hauptbüro auch nicht eben auf.« Er legte die Pfeife auf den Arbeitstisch,
kramte in seiner Jackentasche herum und holte ein Päckchen Zigaretten heraus.
»Stimmt, ich war vorgestern nacht in Everards Labor. Da er weggegangen war, schien mir das eine
einmalige Gelegenheit zu sein. Unter Dieben gibt es mehr Ehre als unter
Wissenschaftlern, die in der Forschung tätig sind! Aber der Mistkerl muß seine
Notizen mitgenommen haben, denn es lag nirgendwo etwas von Interesse. Ich gehe
jede Wette mit Ihnen ein, das Klein Ellen ebenfalls hineingeschlichen ist und
sich umgesehen hat.«
»Ich wette nicht«, sagte ich.
»Was weiter?«
»Ich vermute, daß Ellen und Everard was miteinander hatten, sich aber sehr diskret
verhielten. Judy Trent warf sich Everard fast
buchstäblich an den Hals, aber er nahm sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Und
das war an sich schon eine Leistung!«
»Sie glauben nicht, daß Judy
Trent die beiden in einem Anfall von Eifersucht umgebracht hat?«
Er grinste erneut und
schüttelte den Kopf. »Das einzige an all dem, was Sie gesagt haben, Lieutenant,
war Ihre Behauptung, Mrs. O’Hara sei nymphoman
veranlagt gewesen.
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