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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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»›Lady of Shalott‹ – ist das ein Codewort?«
    »So würde ich es kaum nennen«, sagte Miss Marple, »aber dann weiß sie, was ich meine.«
    Craddock stand auf. »Ich muss gehen«, sagte er. »Aber ich komme wieder!«, fügte er warnend hinzu.
    »Ich würde mich freuen«, antwortete Miss Marple. »Vielleicht findest du mal Zeit, mit mir Tee zu trinken. Falls du überhaupt noch Tee trinkst«, sagte sie etwas besorgt. »Heute wollen die meisten jungen Leute nur noch Drinks und so etwas. Tee am Nachmittag ist für sie etwas sehr Altmodisches.«
    »So jung bin ich auch nicht mehr«, sagte Craddock. »Ja, ich komme mal vorbei und trinke mit dir Tee. Dann können wir uns länger unterhalten, auch über den Ort und seine Bewohner. Kennst du einen von den Filmstars oder Studioleuten?«
    »Keinen einzigen«, antwortete Miss Marple. »Nur was man mir so erzählt.«
    »Na, gewöhnlich erfährst du doch eine Menge«, erwiderte Craddock. »Also bis bald. Es war schön, dich wiederzusehen.«
     
    »Oh, guten Tag«, sagte Mrs Bantry mit leicht erstauntem Blick, nachdem Craddock sich vorgestellt und erklärt hatte, warum er gekommen sei. »Wie aufregend, Sie kennen zu lernen. Ist es nicht üblich, dass ein Sergeant Sie begleitet?«
    »Ich habe einen Sergeanten da, ja«, sagte Craddock. »Er hat zu tun.«
    »Routinebefragungen?«, meinte Mrs Bantry hoffnungsvoll.
    »So ungefähr«, sagte Craddock kühl.
    »Und Jane Marple schickt Sie zu mir«, sagte Mrs Bantry, während sie ihn in das kleine Wohnzimmer führte. »Ich war gerade beim Blumenordnen«, erklärte sie. »Heute ist so ein Tag, an dem sie machen, was sie wollen, entweder sie fallen wieder aus der Vase oder stehen zu weit ab – jedenfalls bin ich froh, dass ich abgelenkt werde, besonders, wenn es eine so aufregende Ablenkung ist. Es war also doch Mord?«
    »Haben Sie das angenommen?«
    »Nun, es hätte auch ein Unfall sein können«, antwortete Mrs Bantry. »Niemand hat etwas Genaues gesagt, ich meine von offizieller Seite. Nur diese etwas seltsame Sache, dass es keinen Beweis dafür gab, wie und mit was ihr das Mittel eingegeben wurde. Aber natürlich redeten wir alle von einem Mord.«
    »Und wer der Täter sein könnte?«
    »Komischerweise sprachen wir nicht darüber. Weil wir einfach niemand kennen, der infrage käme.«
    »Sie meinen, der es unbemerkt hätte tun können?«
    »Nein, nein. Ich meine, wir kennen niemanden, der ein Motiv gehabt haben könnte.«
    »Sie glauben also, dass Heather Badcock keine Feinde hatte?«
    »Offen gestanden, ich kann mir nicht vorstellen, warum jemand Heather Badcock hätte umbringen wollen. Ich habe sie mehrmals bei irgendwelchen Veranstaltungen der Gemeinde getroffen – Pfadfinderinnentreffen, Tagungen der ›St. Johns Ambulance‹ oder Versammlungen im Pfarrhaus. Ich fand, dass sie ziemlich anstrengend war. Von allem sofort begeistert, zu Übertreibungen neigend und dazu auch noch ziemlich gefühlsselig. Doch deswegen bringt man einen Menschen nicht gleich um. Sie war der Typ Frau, die man in alten Zeiten durchs Dienstmädchen hätte abwimmeln lassen. Wir hatten früher eines – eine sehr nützliche Einrichtung.«
    »Sie meinen, man gab sich große Mühe, ihr aus dem Weg zu gehen, aber man wünschte ihr nicht gleich das Schlimmste.«
    »Sehr gut ausgedrückt«, erwiderte Mrs Bantry und nickte.
    »Sie besaß auch kein nennenswertes Vermögen«, überlegte Craddock, »sodass ihr Tod niemandem finanzielle Vorteile brachte. Und so unbeliebt war sie nicht, dass man von Hass sprechen könnte. Erpressung kommt wohl nicht infrage?«
    »Daran hätte sie nicht mal im Traum gedacht!«, erwiderte Mrs Bantry. »Sie war eine Frau mit Grundsätzen und nahm es mit allem sehr genau.«
    »Hatte ihr Mann vielleicht eine Freundin?«
    »Halte ich für ziemlich unwahrscheinlich«, antwortete Mrs Bantry trocken. »Ich habe ihn zwar nur auf dem Fest gesehen. Er ist dünn wie ein Stück Bindfaden. Ein netter Mensch.«
    »Da bleibt nicht mehr viel, nicht wahr? Man landet wieder bei der Vermutung, dass sie irgendetwas wusste.«
    »Etwas wusste?«
    »Das jemandem schaden konnte.«
    Weder schüttelte Mrs Bantry den Kopf. »Ich bezweifle es«, sagte sie, »ich bezweifle es sogar sehr! Sie gehörte zu den Frauen, die nichts für sich behalten können. Wenn sie etwas über irgendjemand gewusst hätte, würde sie es herumerzählt haben.«
    »Damit wäre auch dieser Punkt erledigt«, sagte Craddock. »Wenn Sie erlauben, komme ich jetzt zum Grund meines Besuches.

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