Mord in Babelsberg
zu sich. »Warum sollten wir keine Freunde sein, dein Vater und ich?«
»Weil ihr verheiratet seid.«
»Ach so.« Sie musste sich das Lachen verbeißen, obwohl sie sich beim Aufwachen elend gefühlt hatte, weil sie noch lange schweigend dagelegen hatten und abgewandt voneinander eingeschlafen waren.
»Wir sind trotzdem Freunde. Dein Vater ist mein bester Freund, auch wenn er mein Mann ist. Du weißt doch, wie das ist. Freunden erzählt man alles, was einen bewegt. Wenn man traurig ist. Wenn man sich über etwas freut. Wovon man träumt. Alles, was einem wichtig ist.«
Als sie aufblickte, sah sie Leo in der Küchentür stehen. »Ich muss los.« Er gab Marie einen Kuss auf die Stirn und Clara einen Wink, worauf sie ihm in den Flur folgte.
»Ein Mord in Neubabelsberg. Robert holt mich an der Turmstraße ab.« Er hielt Hut und Mantel in der Hand, zögerte aber noch. »Was du eben gesagt hast –«
Sie legte ihm den Finger auf die Lippen. »Nicht jetzt.« Ihr Lächeln begleitete ihn auf dem Weg nach unten.
Es würde eine Weile dauern, bis Robert mit dem Wagen an der Turmstraße war, doch Leo genoss den warmen Morgen und die Erinnerung an das Lächeln, mit dem Clara ihn verabschiedet hatte. Sie hatten sich nicht ausgesprochen, aber es war ein Anfang.
Er grüßte den Wirt der Eckkneipe, der leere Fässer vor die Tür rollte. »Lange nich jesehn, Leo. Hast ’ne Molle bei mir jut.«
»Warum?«
»Die Kleene, die du mir empfohlen hast für hintern Tresen, dit is ’n Prachtstück.«
»Ach so. Aber die Molle hat sich Frau Dr. Schott verdient. Sie kannte das Mädchen und hat meiner Frau von ihr erzählt.«
Der Wirt wischte sich mit dem Arm über die Stirn und grinste. »Ick vastehe. Also ’ne Molle für den Herrn Kommissar samt Jattin und die Frau Doktor noch dazu.«
»Ich komme drauf zurück«, sagte Leo und nickte zum Abschied.
Magda hatte ein junges Mädchen behandelt, das vom Vater geschlagen wurde, und ihn um Rat gefragt. Sie musste vom Vater weg, in eine eigene Bleibe, und suchte ein Auskommen. Die Kleine war fleißig und arbeitswillig, doch Leo hatte anfangs gezweifelt, ob man sie nach ihren Erfahrungen mit dem Vater ausgerechnet in eine Kneipe schicken sollte. Andererseits war Gustav Braun eine Seele von Mensch und würde dafür sorgen, dass seine Gäste ihr nicht zu nahe traten. Und es hatte geklappt.
Er ging auf der Turmstraße auf und ab. Der Wagen kam schneller als erwartet und hielt mit quietschenden Reifen am Straßenrand. Walther war am Steuer, Sonnenschein und Hasselmann saßen im Fond. Leo stieg ein.
»Morgen zusammen.«
»Morgen, Leo. Netter Abend gestern, was?«
»Ja. Bezauberndes Mädchen, deine Jenny.«
Walther strahlte.
»Warum Potsdam? Kann mir das bitte jemand erklären? Die haben doch eine eigene Polizei.«
Walther gab Gas und bog an der nächsten Kreuzung nach links in Richtung Charlottenburg ab. »Das rätst du nie.«
»Ach, komm, dafür ist es zu früh am Morgen«, sagte Leo abwehrend.
»Kennst du Neubabelsberg?«
»Ja, schicke Gegend. Und?«
»Gehen Sie gern ins Kino, Herr Kommissar?«, fragte Sonnenschein vom Rücksitz.
»Hm, manchmal schon. Was soll dieses Frage-und-Antwort-Spiel?«
»Viktor König, der Regisseur«, sagte Robert. »Er hatte gerade eine große Premiere, Die Insel des Magiers . Seine Frau hat ihn heute Morgen tot im Hausflur gefunden und völlig aufgelöst die Polizei gerufen. Die Kollegen aus Potsdam sind sofort hingefahren. Ziemliche Sauerei, wie sie sagen.«
Leo zog die Augenbrauen hoch. »Raus mit der Sprache. Warum wir, wenn wir mitten in einem Fall stecken?«
Walther sah ihn von der Seite an. »Weil König verblutet ist. Stichwunde am Hals. Und neben ihm lag eine Scherbe.«
»Halt auf der Straße«, wies Leo Walther an, als sie in Neubabelsberg angekommen waren. Unmittelbar vor der Villa König parkten zwei Streifenwagen, mehrere Schupos bewachten das Haus.
»Eindrucksvoll«, sagte Leo, als er ausstieg und das Gebäude mit seinen klaren Linien und dem kunstvoll schlichten Garten betrachtete.
»Zu kalt für meinen Geschmack«, widersprach Walther. »Zu viel Glas, alles weiß.«
»Mies van der Rohe hat es gebaut«, sagte Sonnenschein.
»Ich mag es lieber gemütlich«, sagte Walther achselzuckend. »Ich glaube, da drinnen würde ich ständig frieren.« Sie holten ihre Ausrüstung aus dem Kofferraum und gingen die mit weißem Kies bestreute Einfahrt entlang, die auf beiden Seiten von gepflegten Rasenflächen gesäumt wurde.
Walther pfiff leise
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