Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
Vom Netzwerk:
aufgeklärt ist.«
    Ilse lächelte. »Du kennst ihn doch. Er neigt dazu, sich Dinge zu Herzen zu nehmen, auch wenn er es ungern zeigt.«
    Sie wechselten einen kurzen, beinahe verschwörerischen Blick.
    Dann erzählte Clara von Viktor Königs letztem Film, die Kinder polterten herein und wollten Kuchen haben, als sie den gedeckten Tisch sahen. Als Ilse sich um kurz nach sieben verabschiedete, fiel Clara noch etwas ein, und sie holte das Foto. »Kennst du das?«
    Ilse hielt es unter die Lampe und schüttelte den Kopf. »Das habe ich noch nie gesehen. Scheint schon älter zu sein. Vier, fünf Jahre, würde ich sagen. Er ist gut getroffen. Wo hatte Leo das denn versteckt?«
    »Ach, ich habe es vorhin im Schrank gefunden. Ich dachte, du kennst es vielleicht.«
    »Wie gesagt, ich kenne es nicht. Aber wer es gemacht hat, mochte ihn«, sagte Ilse leichthin. »Einen schönen Abend und Grüße an Leo.« Mit diesen Worten verschwand sie im Treppenhaus.
    Clara schloss die Wohnungstür und lehnte sich mit geschlossenen Augen dagegen. Bei Ilses Worten hatte sich der Abgrund vor ihr wieder aufgetan.

17
    DIENSTAG, 15. JUNI 1926
    Leo stellte den Wagen in der Franz-Josef-Straße in Weißensee ab. Hier gab es gleich drei Filmateliers – das Lixie, das May und das Regina. Das May-Atelier war eindrucksvoll – zwei Glashäuser und ein langgestrecktes Gebäude, in dem vermutlich die Betriebsräume untergebracht waren. Das Sägezahndach ließ viel Licht herein. Fast unmittelbar nebenan lag das Lixie-Atelier. Leo warf einen Blick auf die Hausnummer, die er sich notiert hatte. 14a. Das konnte nicht weit sein.
    Das Grundstück wirkte ungepflegt, an der Mauer, die es vom Gehweg trennte, wucherte Unkraut. Das eiserne Tor war stellenweise durchgerostet. Leo blieb stehen und betrachtete das Gebäude von außen. Gustav Richter hatte erwähnt, es sei nicht die beste Adresse in der Branche, und der Anblick bestätigte seine Aussage. Auf dem Hof standen Pappkulissen, die aussahen, als wären sie in einen starken Aprilregen geraten; daneben lag ein unordentlicher Stapel Holzlatten; an der Wand lehnten mannshohe Rollen mit Stoff. Er fragte sich, weshalb die Sachen hier draußen aufbewahrt wurden, wo sie Wind, Wetter und Dieben ausgesetzt waren. Es wunderte Leo nicht, dass Richter sein Glück lieber in Johannisthal gesucht hatte.
    Auffällig waren die Bäume, die den Rand des Grundstücks säumten und dem Gebäude einiges an Licht nahmen. Die anderen Ateliers schienen nach dem Prinzip gebaut, das Innere so hell wie möglich zu machen. Obwohl es ein warmer Tagwar, verströmte das Regina etwas seltsam Kaltes. Hier war nichts von der fröhlichen Hektik zu sehen, die in Johannisthal herrschte.
    Leo probierte die erstbeste Tür aus und trat in einen dämmrigen Gang. Es roch nach Holz und Leim. Er schaute sich um, konnte aber niemanden entdecken. Es war still, als würde überhaupt nicht gearbeitet. Dann stieß ihn jemand von hinten an. »’tschuldigung, hab Se nich jesehn.«
    Er sah sich einem Mann im Arbeitsanzug mit einer Leiter über der Schulter gegenüber. »Kann ick mal vorbei?«
    Leo trat beiseite. »Wo finde ich den Chef?«
    Der Mann deutete mit dem Daumen geradeaus. »In der Werkstatt.« Er zögerte. »Falls er schon zu jebrauchen is.«
    »Wieso?«
    Der Mann deutete mit der freien Hand die universelle Geste des Trinkens an.
    Leo nickte und ging in die Werkstatt, die ähnlich unaufgeräumt war wie der Hof des Ateliers. Kein Wunder, dass die Aufträge ausblieben, wenn der ganze Laden so unseriös wirkte. Er schaute sich um und entdeckte in einer Ecke einen Mann, der in einer Werkzeugkiste wühlte und ihn anscheinend nicht bemerkt hatte.
    »Guten Morgen.« Er trat näher.
    Der Mann richtete sich ächzend auf und drehte sich um. Gerötetes Gesicht, geplatzte Äderchen auf Nase und Wangen, unsteter Blick. Trinker am Morgen, dachte Leo.
    »Kriminalkommissar Wechsler. Sie leiten das Atelier?«
    Der Mann sah ihn verständnislos an. »Was soll das?«
    »Ihr Name, bitte.«
    »Ernst Köhler.«
    »Gut, Herr Köhler, ich möchte Sie bitten, mir einige Fragen zu beantworten. Darf ich?« Leo deutete auf einen Hocker, der vor einem Arbeitstisch stand. Der Mann nickte wortlos.
    »Wir haben von einem ehemaligen Mitarbeiter dieses Ateliers erfahren, dass Viktor König vor einiger Zeit hier gewesen ist.«
    Der Mann kniff die Augen zusammen, als hätte er Schwierigkeiten, Leo zu erkennen. Dann griff er in die Werkzeugkiste, holte eine Bierflasche heraus und nahm

Weitere Kostenlose Bücher