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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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ihre Mutter sie nannte, legten
sich allerdings wie ein dunkler Schatten auf das freudige und freundliche,
einst allen Menschen und Tieren zugetane Wesen des Rauhaardackels, der das
Helle und Sonnige seines Charakters fast unkenntlich machte. So war auch die
Begrüßung am Gartentor längst nicht mehr so überschwänglich und herzlich wie
früher, eher beiläufig, ja fast schon wurschtig wurde Paulas Kommen zur
Kenntnis genommen.
    Es war vor allem diese Gleichgültigkeit des Empfangs,
die ihr jedes Mal einen derart tiefen Stich ins Herz versetzte, dass ihr die
Tränen in die Augen schossen. Sie konnte und wollte sich einfach nicht an den
Gedanken gewöhnen, dass ihr geliebtes Maxl dabei war, sein kümmerliches
Restleben auszusitzen. Dass der Anfang vom Ende gekommen war. Sie holte ihn zu
sich, nahm ihn auf den Arm und trug ihn, wieder und wieder sanft über den Kopf
streichelnd, ins Haus. In der Diele wurden sie bereits von ihrer Mutter
erwartet.
    »Am besten ist, Paula, du legst ihn gleich auf das
Kanapee. Von selbst kann er da nämlich nicht mehr hinaufspringen. Auch das geht
seit letzter Woche nicht mehr.«
    Dürre und scheinbar emotionslos vorgebrachte Worte,
die den körperlichen Verfall umso eindringlicher dokumentierten. Als sie den
Dackel behutsam auf das weiche Sofa, das bis zum Ausbruch seiner Krankheit das
letzte Tabu in diesem Haus für ihn dargestellt hatte, ablegte, löste sich eine
Träne aus ihrem rechten Augenwinkel und tropfte auf sein linkes Ohr.
    »Ich fürchte«, sagte ihre Mutter, die nun hinter ihr
stand, »irgendwann müssen wir uns was überlegen.«
    Obwohl sie noch nie darüber gesprochen hatten, wusste
sie, was damit gemeint war – der Gang zum Tierarzt, der letzte Gang für Max.
    »Aber jetzt noch nicht«, wehrte sie heftig ab, »jetzt
noch lange nicht. Schau, er hat doch noch Spaß an seinem Leben. Das Essen
schmeckt ihm nach wie vor, und wenn er dich in der Früh sieht, freut er sich
immer noch so unbändig, genau wie früher, das hast du mir selbst gesagt. Und«,
sie dachte intensiv nach, war auf der Suche nach einem weiteren Grund, sich
diesem Gedanken nicht stellen zu müssen, »deinen Garten mischt er auch noch
gerne auf, auch daran hat sich nichts geändert.«
    »Ich hab ja auch nur gesagt: irgendwann«, war alles,
was Johanna Steiner darauf entgegnete.
    Damit war das Thema »Irgendwann müssen wir uns was
überlegen« abgeschlossen. Für beide. Vorerst.
    Paula berichtete von ihrem neuen Fall. Ihre Mutter
interessierte sich vor allem für ihre Stippvisite im Philipp-Melanchthon-Heim.
Wie es da aussähe, ob das Personal freundlich sei und welchen Eindruck die
Bewohner auf sie gemacht hätten? Bevor sie antwortete, fragte sie: »Warum
willst du denn das so genau wissen, Mama?«
    »Ach, das kann schneller aktuell werden, als man
meint. Du hast es ja am Maxl gesehen.«
    Das war zu viel für sie. Was für ein Scheißtag! Mit
solchen Scheißthemen! »Gar nichts hab ich gesehen!«, schrie sie ihre Mutter so
laut an, dass sogar der Hund aus seinem Dämmer erwachte, sich mühsam auf dem
Sofa aufrappelte und sie beide böse anstarrte. »Was willst denn du im
Altersheim? Da hast du noch gar nichts verloren! Das ist doch bloß was für …«
    »… alte Leute«, ergänzte ihre Mutter lächelnd.
»Und ich mit meinen zweiundachtzig Jahren bin ja noch so jung.«
    »Genau, das bist du auch: viel zu jung, viel zu gesund
und fit und überhaupt. Mal was anderes, Mama: Kannst du dich eigentlich noch an
den Blumen-Rupp in der Breiten Gasse erinnern?«
    »Ja, natürlich, sehr gut. Das war damals der erste
Blumenladen am Platze. Ein wirklich feines Geschäft. Die hatten alles, sogar
meine Mimosen. Die kriegt man ja heute nur noch auf Vorbestellung.«
    »Ich weiß. Und die ältere Rupp-Tochter ist jetzt am
letzten Montag umgebracht worden. Nein, eigentlich schon vorher, weil man sie …«
    »Die Rupp-Tochter, sagst du?«, wurde sie erstaunt
unterbrochen. »Hm, so was. Das war ja immer schon seltsam.«
    »Was war immer schon seltsam?«
    »Na ja, da hat ja damals die ganze Stadt gemunkelt,
dass das kein Neun-Monats-Kind sei. Dass das Mädchen sehr abrupt auf die Welt
kam und die Rupp sehr plötzlich Mutter wurde. Das Ganze kam für alle ein
bisschen überraschend. Denn niemand hatte bis zu diesem Zeitpunkt etwas von
ihrer Schwangerschaft gesehen, und nun hatte sie auf einmal ein Baby. Verstehst
du?«
    »Nein, verstehe ich nicht. Wollte man damit sagen,
dass die Rupp ihrem Mann ein Kind, das nicht seins

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