Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
zanken.
    Als Zofe der Hausherrin hatte Miss Tucker eine seltsame Zwischenstellung eingenommen, weder wirklich zu den Dienstboten gehört noch zu der Herrschaft. Als deren Vertraute hatte sie im Rang über den anderen gestanden und war wohl, wie Narraway mit einem Mal begriff, während er sich Mrs. Whitesides Erklärungen anhörte, recht einsam gewesen.
    »Ich weiß nicht, was Sie sonst noch von mir wollen«, schloss Mrs. Whiteside endlich unvermittelt und sah ihn erneut verwirrt an.
    Je mehr er ihr zugehört hatte, desto mehr hatte seine Überzeugung zugenommen, dass keiner der im Hause Tätigen etwas mit Mrs. Montserrats Tod zu tun hatte, der ganz im Gegenteil ihrer aller Leben aus der Bahn geworfen hatte. Jetzt durften sie sich nicht einmal mehr darauf verlassen, dass sie weiterhin dort zu Hause sein würden. Früher oder später konnte sich Miss Freemarsh entscheiden, das Haus zu verkaufen, wenn sie sich nicht sogar dazu genötigt sah, und dann würden sie voneinander getrennt und ohne Arbeit dastehen. Ganz davon abgesehen hatte sie die Möglichkeit, jeden, den sie verdächtigte, Narraway etwas Negatives berichtet und damit die Treuepflicht verletzt zu haben, ohne Dienstzeugnis zu entlassen, was noch schlimmer wäre. Narraway begriff, dass er seine Fragen sehr sorgfältig würde formulieren müssen.
    »Mit allen im Hause sprechen«, gab er zur Antwort. »Und feststellen, ob jemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Beispielsweise etwas, was nicht am üblichen Platz oder mit einem Mal beschädigt war, derlei Dinge.«
    Sie begriff sogleich. »Sie meinen, jemand könnte eingebrochen sein und die arme Mrs. Montserrat umgebracht haben?« Der bloße Gedanke erfüllte sie mit Entsetzen.
    »Je mehr Sie mir über die Menschen hier im Hause gesagt haben, desto weniger wahrscheinlich erscheint es mir, dass einer von ihnen nach oben gegangen sein, die Opiumtinktur gefunden und Mrs. Montserrat eine tödliche Dosis davon verabreicht haben könnte.« Er sah sie aufmerksam an und merkte, wie sie begriff, dass es nur zwei Möglichkeiten gab. Beide entsetzten sie gleichermaßen.
    »Ich bleibe aber hier, wenn Sie mit den Mädchen reden«, teilte sie ihm mit.
    »Selbstverständlich«, stimmte er zu. »Das ist sogar mein Wunsch. Aber unterbrechen Sie uns bitte nicht.«
    Ganz wie erwartet, blieben die Befragungen ergebnislos. Sie bestätigten ihm lediglich, dass es sich bei diesen Menschen um ganz gewöhnliches Dienstpersonal handelte. Sie mochten gelegentlich träge, schwatzhaft und streitsüchtig sein, waren aber zu keiner tief wurzelnden Bosheit fähig. Zum einen waren sie seiner Ansicht nach viel zu schlichte Gemüter, als dass sie zu der Art von Tücke hätten imstande sein sollen, die nötig war, wenn man einen Menschen vergiften wollte, und zum anderen vertrauten sie einander viel zu sehr, als dass einer von ihnen ein solches Geheimnis hätte bewahren können. Mrs. Whiteside hatte sie durchaus zutreffend eingeschätzt. Er nahm sich vor, falls er je wieder als Detektiv tätig sein müsste, künftig mehr auf die Beobachtungen von Haushälterinnen zu achten.
    Bei der Zofe Miss Tucker, die Mrs. Montserrats Leben über Jahrzehnte hinweg geteilt hatte, lagen die Dinge anders. Ihre Kräfte schienen in geradezu Mitleid erregender Weise geschwunden zu sein, denn ihr war bewusst, dass sie im Hause nicht mehr gebraucht würde. Man würde sich um sie kümmern, aber sie würde niemandem mehr von Nutzen sein. Sie nahm Narraway gegenüber Platz, bereit, seine Fragen zu beantworten.
    Er kam ganz allmählich auf die entscheidenden Punkte zu sprechen und stellte nicht ohne innere Befriedigung fest, dass sie über die anderen Dienstboten ziemlich genau dasselbe sagte wie Mrs. Whiteside, vielleicht eine Spur deutlicher. Allerdings brauchte sie auch nicht mehr mit ihnen zusammenzuarbeiten, hatte es nicht nötig, sich um ihre Stellung Sorgen zu machen.
    Es zeigte sich, dass sie Humor besaß, und er bedauerte, seine Fragen auf heikle Themen ausweiten zu müssen.
    »Miss Tucker, Miss Freemarsh wie auch Lady Vespasia Cumming-Gould haben mir berichtet, dass Mrs. Montserrat nicht mehr immer genau wusste, wo sie sich befand und mit wem sie sprach. War Ihnen bekannt, dass sie fürchtete, versehentlich Geheimnisse auszuplaudern, die anderen Menschen sehr schaden könnten?«
    Sie stieß einen Seufzer aus und sah ihn mit einem Ausdruck großer Geduld an. »Natürlich, die Arme. Wenn Sie vor fünf Jahren mit mir gesprochen hätten, wäre ich nie im Leben

Weitere Kostenlose Bücher