Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
in seiner Stimme und die Intensität seiner Empfindung füllten den Raum.
»Vorausgesetzt, dass das zu keiner Verzögerung führt, die ich mir nicht leisten kann«, erklärte Pitt.
»Das versteht sich doch von selbst.« Mit kaum wahrnehmbarem Lächeln, das voll Wärme war, fügte Blantyre hinzu: »Besten Dank.«
Charlotte verbrachte in Adrianas Gesellschaft einen wunderbaren Tag. Je näher sie sie kennenlernte, desto interessanter erschien sie ihr, und beide Frauen fühlten sich in der Gegenwart der jeweils anderen ausgesprochen wohl. Angefangen hatte ihre Bekanntschaft mit förmlichen Begegnungen, höflichem Geplauder über Kunst, Mode und die neuesten Bücher. Inzwischen tauschten sie ungezwungen Anekdoten aus, teilten einander ihre Ansicht zu Dingen mit, bei denen es um tiefe Empfindungen ging, und immer wieder lachten sie herzlich über lustige oder lächerliche Vorkommnisse.
Diesmal hatten sie ein Nachmittagskonzert besucht. Der Gesang war zwar von hohem Niveau gewesen, zugleich aber auch von peinigendem Ernst. Nachdem sie einander angesehen hatten, mussten sie ihr Kichern unterdrücken und so tun, als hätten sie einen Niesanfall. Eine ältere Dame hatte sich voll Mitgefühl erkundigt, ob es Adriana auch gut gehe, woraufhin diese behaupten musste, sie reagiere wohl auf die im Gewächshaus gezogenen Lilien des Bühnenschmucks allergisch.
Charlotte war ihr mit einer langen, erfundenen Geschichte über Lilien bei einer Beerdigung beigesprungen, die auf sie angeblich die gleiche Wirkung gehabt hatten. Um die Glaubwürdigkeit zu steigern, hatte sie behauptet, Tränen vergossen zu haben, obwohl sie die dahingeschiedene Person nicht hatte ausstehen können. Alle hätten sie wegen ihrer selbstlosen Herzensgüte gepriesen – etwas, was nun wirklich nicht zu ihren Wesensmerkmalen gehörte, wie sie später zu Adriana sagte.
Sie hatte sich die Anteilnahme der alten Dame mit ernstem Gesicht gefallen lassen, und anschließend hatten sie und Adriana sich eilends verabschiedet, bevor sie in lautes Lachen ausbrachen.
Noch als Charlotte nach Hause zurückkehrte, lag ein Lächeln auf ihren Zügen. Sie fand Minnie Maude in der Küche, wo sie das Geschirr von Daniels und Jemimas Abendessen abräumte. Auf den Tellern lagen ziemlich viele Pastetenreste, und Minnie Maude schob sie rasch beiseite, als sie Charlottes Schritte hörte, drehte sich um und stellte sich davor. Mit weit aufgerissenen Augen sagte sie aufrichtig: »Es is’ ’ne Wucht, wie Se ausseh’n, Ma’am. Se sollt’n sich noch so’n Kleid in dem goldbraunen Ton zuleg’n. Es gibt nich’ viele, die so was trag’n könn’n.«
»Vielen Dank«, sagte Charlotte und meinte es ebenso aufrichtig wie Minnie Maude ihr Kompliment, wunderte sich aber doch, warum das Mädchen nicht von den Kindern verlangte, auch den Teigrand der Pastete zu essen. Diesmal würde sie es durchgehen lassen, denn es wäre ihr ungehörig erschienen, das Mädchen nach einem so ehrlich gemeinten Kompliment zu tadeln. Doch beim nächsten Mal würde sie das unbedingt ansprechen müssen.
»Ich gehe rasch nach oben, um mich umzuziehen. Das Ausgehkleid ist beim Abendessen wohl eher fehl am Platz.« Erneut lachend wandte sie sich zum Gehen.
»Kann ich Ihn’n dabei helf’n, Ma’am?«, machte sich Minnie Maude erbötig. »Jed’nfalls de Knöpfe hint’n.«
»Vielen Dank. Ja, das dürfte nützlich sein.« So trat Minnie Maude auf sie zu und öffnete, am Halsansatz beginnend, das erste halbe Dutzend der Knöpfe auf dem Rücken. Charlotte ging hinaus, wandte sich aber am Fuß der Treppe noch einmal um, weil sie Minnie Maude bitten wollte, schon einmal für das Abendessen zu decken. Dabei sah sie, wie diese in den Keller eilte, wobei sie etwas in der Hand hielt, was verdächtig nach einem Teller mit Pastetenteigrändern aussah.
Während Charlotte langsam nach oben ging, überlegte sie, ob Minnie Maude zu wenig zu essen bekam, sodass sie sich genötigt sah, Pastetenreste zu essen. Sie litten im Hause keinen Mangel, und auch Minnie Maude durfte so viel essen, wie sie wollte. Sie hatte sich gut eingefügt, erledigte die ihr aufgetragenen Arbeiten ordentlich und war angenehm im Umgang. Es war Charlotte bewusst, dass Minnie Maude ein glänzender Ersatz für ihr früheres Mädchen Gracie war, die sie wegen der Gründung eines eigenen Hausstandes zu Pitts und Charlottes großem Bedauern verlassen hatte. Sie nahm sich vor, der Sache bei Gelegenheit auf den Grund zu gehen.
Als Pitt an dem Tag früher
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