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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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also!«
    »Möglicherweise«, gab Pitt zurück. »Es könnte aber auch sein, dass man uns da etwas vorgaukelt, um uns von einem anderen Vorhaben abzulenken. Trotzdem dürfen wir die Sache auf keinen Fall ignorieren. Diese Aufzeichnungen hat mir Blantyre hiergelassen.« Er reichte Stoker die Blätter. »Prüfen Sie jede Einzelheit, und versuchen Sie, so viel wie möglich über jeden der Genannten herauszubekommen.«
    »Wird gemacht, Sir. Was haben Sie jetzt vor?«
    »Ich werde zusehen, dass ich so viel über diesen Herzog Alois in Erfahrung bringe, wie ich kann, und feststellen, wer auch nur das geringste Interesse daran haben könnte, ihn zu ermorden«, gab Pitt zurück.
    Stoker sah die Blätter an und machte sich über den Inhalt der beiden obersten kurze Notizen. »Morgen komm ich wieder und hol mir weitere Angaben«, sagte er und stand auf.
    »War noch etwas?«, fragte Pitt.
    »Nein, Sir.« Stoker sah ihn leicht überrascht an.
    »Sie machten mir beim Hereinkommen einen ungewohnt beschwingten Eindruck«, gab Pitt mit fragend gehobenen Brauen zurück.
    Stoker lächelte. »Ach ja, Sir.« Er zögerte, wobei eine leichte Röte auf seine Wangen trat. Da ihm klar war, dass Pitt nicht lockerlassen würde, fuhr er fort: »Ich musste gestern Abend jemandem folgen, der mir verdächtig vorkam.«
    »Und? Wobei haben Sie ihn ertappt? Lassen Sie sich doch die Würmer nicht einzeln aus der Nase ziehen, Mann Gottes!« Als Pitt merkte, dass er schon klang wie Narraway, presste er die Lippen zusammen.
    »Genau genommen bei nichts. Blinder Alarm.«
    »Und?«, blaffte Pitt ihn förmlich an.
    »Er war auf dem Weg zu einem Konzert, Sir. Die Musik hat mir gefallen. Ich dachte, ich würde mich entsetzlich langweilen, aber es war sehr schön.« Er wirkte verlegen, aber zugleich auch glücklich, als zehre er noch von der Erinnerung.
    »Was wurde denn gespielt?«, erkundigte sich Pitt neugierig. Trotz ihrer langen Zusammenarbeit wusste er so gut wie nichts über Stoker, sah man von dessen beruflichen Fähigkeiten und seinem unbestreitbaren Mut ab. Das Leben seines Mitarbeiters außerhalb der beruflichen Sphäre war ihm vollständig verschlossen.
    »Beethoven, Sir, Klaviermusik.«
    Pitt verbarg seine Überraschung. »Ja, Sie haben recht«, stimmte er zu. »Die ist gut.«
    Stoker lächelte, erhob sich und verließ den Raum.
    Pitt beugte sich über Blantyres Notizen und legte einen dicken Stapel Papiere hinzu, die er Akten aus dem Archiv des Staatsschutzes entnommen hatte. Zügig arbeitete er sich durch die Vorfälle der letzten zehn Jahre bis zur Gegenwart vor und bemühte sich, möglichst viel über das Wesen und die politische Einstellung des Herzogs Alois von Habsburg zu erfahren.
    Zwei Stunden später hatte er eine Unmenge von Fakten, Meinungen und Befürchtungen zur Kenntnis genommen. Seine Augen brannten, und sein Kopf schmerzte. Das Habsburgerreich war von gewaltiger Größe, und alle Länder, die dazugehörten, grenzten unmittelbar aneinander, anders als beim britischen Weltreich, das – dachte man an Indien, Australien und Kanada – aus Teilkontinenten, Ländern und Inseln bestand, die so weit voneinander entfernt lagen, dass man um die halbe Welt reisen musste, um sie zu erreichen. Der Kaiser von Österreich war zugleich König von Ungarn, und in seinem Vielvölkerstaat hatte es immer wieder Unruhen gegeben. Wie ein roter Faden zogen sich Aufstände, Proteste und gelegentliche Attentatsversuche durch dessen Geschichte, worauf die Zentralregierung jedes Mal mit Unterdrückung und zahlreichen Hinrichtungen reagiert hatte.
    Inzwischen saß Franz Joseph I. seit nahezu einem halben Jahrhundert auf dem Kaiserthron. In gewisser Hinsicht regierte er mit leichter Hand und ließ ein beträchtliches Maß an Eigenständigkeit zu, doch in manchen Fällen verhielt er sich starr und autokratisch. Dass ein so bunt zusammengewürfeltes Reich früher oder später zerfiel, schien unvermeidlich, und es fragte sich nur noch, welches der vielen trennenden Elemente den Auslöser dafür bilden würde.
    Der Sozialismus hatte mit seinem Ruf nach Reformen in Wien auf mancherlei Weise seine Stimme erhoben. Verblüfft erfuhr Pitt, dass der Thronfolger Erzherzog Rudolf, der sich in Mayerling das Leben genommen hatte, dessen Grundsätzen so leidenschaftlich angehangen hatte, dass es seine erklärte Absicht gewesen war, nach seiner Thronbesteigung das Reich in eine Republik umzuwandeln und es als dessen Präsident zu regieren.
    Pitt saß regungslos mit den

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