Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
wird Ihnen gefallen.«
»Danke, Sir.« Jack fühlte sich geschmeichelt. Viele hätten gern die Bekanntschaft Lord Wisharts gemacht, doch war das nur wenigen vergönnt. Bestimmt wäre Emily begeistert. Er sah schon vor sich, was für ein Gesicht sie machen würde, wenn er es ihr sagte. Dann kam ihm mit einem Mal der unbehagliche Gedanke, dieser Gunstbeweis des Staatssekretärs solle ihn dafür entschädigen, dass der Pitt so schroff abgekanzelt hatte. Die verwandtschaftliche Beziehung zwischen ihm und Pitt war Tregarron schließlich bekannt.
Jack wollte noch etwas sagen, doch da ihm die passenden Worte nicht einfielen, richtete er den Blick auf die Dokumente, die ihm Tregarron hingeschoben hatte. Es ging darin um die Frage, ob die britische Regierung in Triest, einer der nach wie vor unter österreichischer Herrschaft stehenden italienischen Städte mit slowenischem Umland, eine Gesandtschaft einrichten sollte. Auch wenn es dort in erster Linie um kulturelle Aufgaben ginge, war die Sache kompliziert, wie alles, was mit dem Habsburgerreich zu tun hatte.
Als er den Blick über die ersten Sätze des Kommentars gleiten ließ, den Tregarron in seiner flüssigen Handschrift verfasst hatte, stutzte er. Da er annahm, etwas falsch verstanden zu haben, las er die Sätze noch einmal. Was er da las, stand seiner Einschätzung nach in krassem Widerspruch zu Informationen, die erst am Vortag in Tregarrons Büro eingegangen waren.
»Erledigen Sie das bis heute Nachmittag, Radley.«
Jack hob den Blick. Sollte er die Unstimmigkeit ansprechen, die ihm aufgefallen war, oder würde ihm das als Überschreitung seiner Kompetenzen ausgelegt, wenn nicht gar als Kritik an seinem Vorgesetzten? Er beschloss, einstweilen zu schweigen. Sicherlich gab es irgendwo eine Erklärung, zusätzliche Informationen, die ihm noch nicht bekannt waren. Wenn er erst einmal den ganzen Bericht gelesen hatte, würde sich die Sache aufklären.
»Ja, Sir«, sagte er, wobei er sich zwang, den Vorgesetzten anzusehen und kurz zu lächeln. »Vielen Dank.«
Tregarron nickte und wandte sich erneut den anderen Papieren auf seinem Schreibtisch zu.
Evan Blantyre erklärte sich weit früher als angenommen dazu bereit, Pitt zu empfangen. Noch am selben Nachmittag bekam Pitt die Mitteilung, Blantyre werde ihm mindestens eine Viertelstunde zur Verfügung stehen und er könne ihn sogleich in seinem Büro aufsuchen.
Pitt griff nach seinem Mantel, wobei er in der Eile vergaß, den Hut aufzusetzen, und stürmte hinaus, um die nächste erreichbare Droschke zu nehmen. Da er die Treppe zu Blantyres Büro immer zwei Stufen auf einmal nehmend emporgeeilt war, kam er ein wenig außer Atem oben an. Daher blieb er einen Moment vor der Tür stehen und nutzte die Zeit, seine Krawatte zu richten und seine Schultern zu lockern, damit das Jackett ein wenig glatter saß.
Auf sein Klopfen öffnete ein Sekretär fast sogleich und führte ihn unverzüglich in Blantyres Amtszimmer. Nachdem dieser Pitt mit Handschlag begrüßt hatte, bedeutete er ihm, er möge Platz nehmen.
»Es tut mir leid, dass ich nicht mehr Zeit für Sie erübrigen kann, aber auf mich wartet ein wichtiger Termin«, erläuterte Blantyre in entschuldigendem Ton. »Sagen Sie mir, so knapp Sie können, was Sie wissen und was Sie daraus folgern, damit ich mir ein Bild machen kann.«
Pitt hatte sich bereits zurechtgelegt, was er sagen wollte, und begann ohne Einleitung: »Die Männer meiner Dienststelle haben in allen Richtungen nachgeforscht, die Sie uns genannt haben. Inzwischen glaube ich, nahezu sicher sein zu dürfen, um wen es sich bei den Männern handelt, die sich nach den Fahrplänen, Signalen und Weichen erkundigt haben. Darüber hinaus besitzen wir weitere Angaben über neue und nach unserer bisherigen Erfahrung unvorstellbare Zusammenschlüsse von Leuten, die uns von früher als Unruhestifter, Anarchisten oder Umstürzler bekannt sind.«
Blantyre hörte aufmerksam zu, wobei er von Zeit zu Zeit nickte.
»Was wir bisher an Material haben, lässt in der Tat vermuten, dass man Herzog Alois von Habsburg als Opfer ausersehen hat«, fuhr Pitt fort. »Weitere Erkundigungen haben jede Ihrer Angaben bestätigt. Wenn er nicht der kaiserlichen Familie angehörte, hätte niemand je von ihm gehört, denn ganz, wie Sie ihn mir beschrieben haben, ist er ein eher dem Denken als dem Handeln zuneigender junger Mann, zwar ausgesprochen angenehm im Umgang, aber ohne die geringste Bedeutung.«
Blantyres Augen weiteten sich.
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