Mord in h-moll
Knopfloch? Eine schwarze Armbinde?
Man weiß von solchen Dingen nichts, ehe sie einen nicht selbst betreffen. Ich entschied mich für eine schwarze Krawatte, die ich mir nach Geschäftsschluß besorgte.
Zu Hause bereitete ich mir das Abendessen. Ich hatte den ganzen Tag nichts zu mir genommen, aber es schmeckte mir nicht. Nur der heiße Tee tat mir gut, er rief meine Lebensgeister wach und machte mich aktiv.
Ich wartete auf einen Anruf des Unbekannten.
Um mir die Zeit zu vertreiben, fing ich an, Hildas Sachen zu durchsuchen. Der Mann, mit dem sie in Davos gewesen war, beschäftigte meine Gedanken.
Sonderbar, ich fühlte keinen Ärger darüber, daß sie mich betrogen hatte, es war mir völlig gleichgültig, ob sie mit einem anderen Mann geschlafen hatte oder nicht. Soweit hatte ich mich innerlich schon von ihr enfernt.
Aber dieser andere Mann mußte in meiner Wohnung gewesen sein, mußte einen Schlüssel besessen haben. Er hatte mein Tonband und — er hatte mich in der Hand.
Ich fand in ihren Schubladen ein Durcheinander von Rechnungen, Prospekten, Kinoprogrammen. Ich entdeckte unzählige angebrochene Parfümpackungen, Puderdosen und Lippenstifte. Aber ich entdeckte nichts, was auf jenen anderen Mann schließen ließ.
Da läutete das Telefon.
Ich wußte, daß es der Unbekannte sein würde, als ich den Hörer abhob. Und er war es.
Aber diesmal meldete er sich nicht mit der »Unvollendeten«, sondern mit Hildas Chansons. Es lief mir kalt über den Rücken, als ich ihre Stimme hörte, und einen Augenblick lang war mir, als lebe sie noch, als käme sie zu mir zurück.
Dann brach der Gesang ab, und ich hörte wieder die undeutliche Männerstimme:
»Hallo, Herr Roeder? Sie vergessen mich doch nicht, oder? Fünftausend will ich. Sie bekommen zehn. Das ist doch fair, nicht wahr? Ich könnte auch die ganzen zehn verlangen, darüber sind Sie sich doch im klaren, nicht wahr? Ich will aber nur fünftausend. Sind Sie einverstanden?«
»Ja«, sagte ich. Was hätte ich anderes sagen sollen?
»Gut«, fuhr er fort. »Das ist vernünftig. Leben und leben lassen, nicht wahr? Ich weiß natürlich auch, daß Sie noch kein Geld haben. Ich kann warten, bis die Versicherung ausbezahlt ist. Aber versuchen Sie nicht, mich aufs Kreuz zu legen! Ich werde mich von Zeit zu Zeit in Erinnerung bringen. Außerdem werde ich Sie überwachen, damit Sie nicht auf den dummen Gedanken kommen, mit dem ganzen Geld abzuhauen, nicht wahr?«
»Schon gut«, sagte ich. »Wir werden uns schon einigen.«
»Das wäre Ihr Vorteil«, sagte er und hängte ein.
Es war also, wie ich es mir gedacht hatte: vorerst drohte mir von dieser Seite noch keine unmittelbare Gefahr. Er würde sich hüten, mich anzuzeigen und sich damit seine Geldquelle zu verstopfen.
Aber wenn ich das Geld hatte?
Was konnte ihn daran hindern, die ganzen zehntausend Mark zu verlangen? Sicherlich war er kein Menschenfreund. Vielmehr würde er mich nicht einmal dann in Frieden lassen, wenn ich ihm das ganze Geld ausgehändigt hätte. Immer wieder würde er kommen, immer wieder würde mir seine Drohung das Leben vergällen, immer wieder würde ich zahlen müssen, von meinem Gehalt.
Ich mußte ihn finden, ich mußte ihn kennen, ehe ich das Geld hatte, ich mußte ihm ein Schnippchen schlagen. Aber dazu mußte ich erst einmal wissen, wer er war. Umdrehen mußte ich den Spieß, ich mußte ihn beobachten.
Davos!
In meinen Ohren klang das wie ein Zauberwort. Hilda war mit diesem Mann in Davos gewesen. Dort mußte ich die Spuren suchen, dort mußte ich, wie ein Jagdhund, die Fährte auf nehmen und sie bis hierher zurückverfolgen.
Am nächsten Morgen nahm ich unsere Versicherungspolice mit ins Büro und ließ mich wieder für eine kurze Zeit an der Kasse vertreten. Dann ging ich zur Versicherung.
Sicherlich nahm ich damit ein gewisses Risiko auf mich. Versicherungen sind immer mißtrauisch, wenn sie auszahlen müssen. Aber ich brauchte das Geld, um meine Kasse in Ordnung zu bringen. Der Ultimo kam immer näher, und jeden Tag konnte mir der Chef meinen Nachfolger präsentieren, den ich dann einarbeiten mußte. Bis dahin hatte ich Zeit, die unterschlagenen dreitausend Mark wieder in die Kasse zu praktizieren. Es war eine verdammt kurze Zeit.
Ein junger Mann empfing mich, nachdem ich durch die luxuriöse Marmorhalle geschritten war.
Ich zeigte ihm die Police und sagte:
»Meine Frau ist gestorben. Hier ist die Bestätigung.«
Ich legte ihm den Totenschein hin, den ich auf dem
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