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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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zu beschwichtigen, aber ich warf ihm immer wieder seinen fehlenden Balkon vor, vor allem die Tatsache, daß man ein Zimmer mit einer solchen Tür ohne Schlüssel überhaupt vermietete.
    Dem Direktor waren meine massiven Anklagen sichtlich unangenehm, und er erwartete das Eintreffen der Polizei mit offenbar viel mehr Angst als ich.
    Nichts, gar nichts konnte mir passieren.
    Eine Viertelstunde später stand ich mit zwei Beamten der Ortspolizei in meinem Zimmer. Ich war nun wieder ziemlich nüchtern.
    »Wir haben getrunken«, erzählte ich. »Wir waren in Stimmung gekommen. Und dann wollten wir noch mehr, und essen wollten wir auch. Ich klingelte, und als niemand kam, klingelten wir abwechselnd und schimpften und fluchten, weil niemand kam. Unsere Flasche war schon fast leer, und wir hatten vor, noch eine zu trinken. Endlich sagte ich, daß ich hinuntergehen wolle. Mein Gott, er wollte auch mit, und er meinte sogar, wir könnten unten weitertrinken.« Ich schlug erschüttert die Hände vors Gesicht. »Hätte ich nur auf ihn gehört. Ich bin schuld an seinem Tod. Ich habe ihn überredet, in meinem Zimmer auf mich zu warten, ich würde Essen und Trinken besorgen, und ich sagte, es sei doch viel gemütlicher hier im Zimmer als unten im Lokal. Du lieber Gott, warum mußte ich das sagen? Er gab nach, ich ging hinunter und sprach mit dem Portier, und als ich her auf kam, stand die Tür offen und — und er war verschwunden.«
    Soweit mein Bericht. Die beiden Beamten schienen nicht den geringsten Zweifel in meine Worte zu setzen. Sie machten sich Notizen, schauten sich nochmals im Zimmer um, untersuchten nochmals die Balkontüre, schüttelten den Kopf, und dann fragte der eine Beamte:
    »Woher kannten Sie eigentlich Herrn Weynert?«
    Ich stutzte. Wieso denn Weynert? Um Gotteswillen, hatte ich irgend etwas übersehen? Aber nein, diese drei Schriftstücke, in denen dieser Name gestanden hatte, waren doch verbrannt! Hatte er sich auf dieser Reise mit falschen Papieren ausgerüstet?
    »Tja«, sagte ich und bemühte mich, immer noch so erschüttert wie möglich zu sein. »Ja, wir haben uns hier zufällig getroffen. Beim Spazierengehen, am See. Wir kamen in ein Gespräch, und es stellte sich heraus, daß wir beide aus München gekommen waren. Seitdem trafen wir uns ab und zu, tranken ein bißchen oder gingen spazieren.«
    »Also näher kennen Sie ihn nicht?«
    »Nein, nur von hier. Ach du lieber Gott, er könnte noch leben, wenn ich... «
    Ich fühlte eine beruhigende Hand auf meinem Arm.
    »Schon gut, Herr Roeder, Sie können nichts dafür. Wir müssen feststellen, ob... hat er Familie gehabt?«
    »Ich — ich glaube nicht. Wir haben davon nie gesprochen.«
    »Es ist wegen der Ansprüche. Es ist ein Verschulden des Hotels, einwandfrei.« Er schaute seinen Kollegen fragend an. »Seine Anschrift haben wir ja. Sonst noch etwas?«
    »Ich glaube nicht«, sagte der zweite Polizist.
    Sie verließen mein Zimmer, sprachen mir Trost zu, und — man hatte mir keine Vorschriften gemacht. Ich konnte also unbekümmert nach Hause fahren, morgen schon.
    Wieder einmal war alles so gut gegangen, wie ich es mir nicht besser hätte wünschen können.
    Es war ein sonderbares Gefühl, als ich zu Hause meine Wohnungstüre aufschloß. Keine Hilda stand in der Küche und briet sich ein Steak oder trank Rotwein. Alles war leer. Alles gehörte mir, nur mir. Ich konnte alles tun oder lassen, was mir gerade einfiel, ohne damit ein wüstes Gezänk auszulösen. Und doch fühlte ich mich nicht wohl. Ich war alles andere als glücklich.
    Vielleicht lag es wirklich nur an den Möbeln und an dieser Wohnung?
    Am Montag früh rief ich Karin im Geschäft an, erfuhr aber, daß sie bis Dienstag nach Stuttgart gefahren sei.
    Daraufhin entschloß ich mich, meine Neugier zu befriedigen. Irgend etwas trieb mich dazu, mir die allererste Gewißheit zu verschaffen: wer war dieser Dr. Mertens?
    Ich suchte seine Adresse im Telefonbuch und machte mich auf den Weg zu seiner Praxis. Nun wurde mir auch klar, weshalb man keine Angehörigen finden konnte. Er war ja unter dem falschen Namen Carl Weynert gereist. Da konnte die Polizei lange suchen.
    Je länger ich durch die Straßen ging, desto größer wurden meine neuerlichen Sorgen. Eines Tages mußte es ja doch herauskommen, daß der Tote in Wirklichkeit Dr. Mertens war. Und der hatte womöglich nicht nur Familie, sondern irgend jemand konnte in seinen Plan eingeweiht gewesen sein! Womöglich hatte er jemandem von mir erzählt, von

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