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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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dunkel. Die Temperatur war angenehm, wenn auch längst nicht so warm, wie es in einer Augustnacht in Rom sein würde. Ein Straßenleben gab es nicht, nur Mücken zum Totschlagen. Sie hatten gelernt, in der Dämmerung aus den Sümpfen für ein blutiges Festmahl in die Stadt einzufallen. Irgendwas stach mich heftig in den Knöchel, und Helena bildete sich ein, dass die Viecher in ihrem Haar herumkrabbelten.
    Helena hakte sich bei mir ein, damit wir uns beim Gehen gegenseitig stützen konnten. Es dauerte eine Weile, bis wir die nächste Schenke fanden. In Rom gab es alle paar Schritte Imbissbuden und in fast jedem Häuserblock eine Schenke. Man musste sich auch nicht ständig Steinchen aus den Schuhen schütteln. Londinium besaß gepflasterte Straßen, aber in den meisten Gassen lag nur holpriger Schotter. Die Stadt war auf Kies und Ziegelerde erbaut. Es gab viele Öfen zum Brennen von Dachziegeln und Ziegelsteinen, und die alten Hütten aus Lehmflechtwerk wurden durch Häuser aus Holz und Ziegelsteinen ersetzt. Doch ich sehnte mich danach, auf großen warmen Travertinplatten zu laufen.
    Außerdem musste ich pissen.
    Da sich hier keine hygienischen Einrichtungen finden ließen, wurde die Sache auf eine Weise erledigt, die niemanden etwas angeht.
    »Und was ist mit mir?«, grummelte Helena. Die ständige Nörgelei einer Frau auf Urlaub in einer fremden Stadt. Ich war der Paterfamilias. Meine Aufgabe war es, eine geeignete Örtlichkeit für sie zu finden. Wie die meisten Ehemänner im Urlaub, hatte ich für mich einen Ausweg gefunden und jetzt das Interesse verloren. Das wurde mir sofort deutlich gemacht.
    »Kannst du’s nicht mehr aushalten?« Das können sie nie. Trotzdem bekamen wir auch das hin, als der Druck zu stark wurde. Wir fanden einen dunklen Ort, und ich stand Wache.
    »Das ist wahre Liebe«, bedankte sie sich bei mir.
    Das nächste Lokal, das wie eine Weinschenke aussah, stellte sich als Bordell heraus. Draußen standen zum Anreiz und zur Tarnung ein Tisch und zwei Stühle, aber sobald wir eintraten, wussten wir Bescheid. Im Moment schien nicht viel los zu sein, doch es machte den generellen Anschein, als liefen die Geschäfte gut. Kaum sah ich die kleinen, in Bereitschaft sitzenden Flittchen mit ihren weißen Gesichtern, tief ausgeschnittenen Kleidchen und Fußkettchen aus Glasperlen, zogen wir uns mit höflichem Lächeln zurück.
    Die Puffmutter sah britannisch aus. Auf der ganzen Welt ist dies das erste Gewerbe, das sich einnistet, wenn die Zivilisation auf die hinterwäldlerischen Barbaren stößt. Witwen kommen meist am schnellsten dahinter. Witwen und unverheiratete Mütter, die sich als Witwen ausgeben müssen. Diese hier hatte eine direkte Art und die müden Augen einer Professionellen. Sicherlich war sie Soldaten außerhalb römischer Kastelle zu Diensten gewesen, lange bevor sie hier in der Stadt ihr Etablissement eröffnete.
    Vielleicht brachte uns dieses Haus der Liebe auf Ideen. Kurze Zeit danach blieben Helena und ich an einer Straßenkreuzung stehen, umarmten und küssten uns. Ein langer, zärtlicher Kuss, nicht wollüstig, aber voller Genuss.
    Wir standen immer noch auf diese freundliche Weise beisammen, als uns ein merkwürdiger Geruch auffiel. Ich merkte, dass mich schon seit einigen Augenblicken die Rauchschwaden in der Luft beunruhigt hatten. Wir lösten uns voneinander, gingen rasch weiter und fanden heraus, dass es in Londinium doch ein Nachtleben gab: Eine Bäckerei brannte.

XI
     
     
     
    In Rom hätte sich bereits ein Menschenauflauf gebildet. In Londinium lungerten nur ein paar neugierige Schattengestalten an den dunklen Straßenrändern herum. Gelegentlich wurden ihre Gesichter von aufflackernden Flammen erhellt. Oben öffnete sich quietschend ein Fenster, und eine Frauenstimme meinte lachend: »Jemand hat einen Unfall gehabt! Es hat den Teigkneter erwischt …«
    Ich fragte mich, was ich tun sollte. Hier gab es keine Vigiles, die nur pfeifen mussten, damit ihre Kollegen eine Eimerkette bildeten. Keine Espartomatten, keinen Spritzenwagen mit vollem Wassertank, um ihn in die Flammen zu leeren.
    Das Gebäude war gut erleuchtet. Man konnte erkennen, dass es eine Bäckerei war, weil die Vordertür offen stand. Hinter der rot glühenden Verkaufstheke waren zwei raumhohe Öfen zu sehen, mit offenen Mäulern wie grausige Scheusale. Die Flammen kamen jedoch nicht aus den Öfen, sondern leckten an allen Wänden empor. Vielleicht war das Feuer durch einen Funken entstanden, der auf das

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