Mord in Londinium
wird heute über ihn geredet. Am nächsten Tag wird er schon vergessen sein, aber heute, an diesem schönen Morgen, ist sein grausiges Schicksal in aller Munde.
Trotzdem ist es ein schimmernder Morgen. Nichts Bedrohliches liegt in der Luft, nur ein schwaches Muhen aus einem Stall irgendwo, der Geruch nach gebratenen Eiern, dazu ein glatthaariger Hund mit langer Schnauze, der sich kratzt. Zwischen den Ziegeldächern der heruntergekommenen Häuser ist ein Stückchen klarer blauer Himmel zu sehen, etwas weicher als der blaue Himmel in Italien.
Auf der gegenüberliegenden Seite der beiden Schenken tritt ein Schlosser aus seiner Tür, um sich mit einem Nachbarn zu unterhalten. Auch sie reden vermutlich über den Bäcker. Sie schauen hinüber zu den tratschenden Kellnern, schließen sich ihnen aber nicht an. Nach ein paar gedämpften Worten schüttelt der Schlosser den Kopf. Der Nachbar verschwindet.
Der Schlosser kehrt in seinen Laden zurück, und ein Mann geht auf das ›Ganymed‹ zu. Er wirkt selbstsicher und arrogant, sein Schritt ist flott. Als er sich der Schenke nähert, taucht aus dem Nichts ein kleiner Trupp Soldaten auf. Rasch drängen sie den Mann gegen eine Wand, befehlen ihm, die Hände zu heben. Lachend lässt er sich durchsuchen. Das ist ihm schon öfter passiert. Er weiß, dass sie ihm nichts anhängen können. Selbst als sie mit ihm wegmarschieren, bleibt sein Schritt flott. Die Kellner, die alles beobachtet haben, kehren sofort in ihre jeweiligen Schenken zurück.
Beim »Ganymed« treten Soldaten vor und verhaften sie. Ein Mann – groß, breitschultrig, ruhig, braunhaarig – geht hinein, um die Schenke zu durchsuchen. Ein zweiter – kräftig, quirlig, lockiges dunkles Haar, gut aussehend – erklärt den Soldaten, wer er ist, und folgt dem ersten in die Schenke. Später kommen sie wieder heraus, mit nichts in der Hand. Enttäuscht sprechen sie sich kurz ab, wohl über die Vorgehensweise. Die Schenke wird versiegelt. Ein Soldat bleibt zur Bewachung zurück.
Die Straße liegt wieder friedlich da.
An einem anderen Ort sitzt ein Kunde halb rasiert auf dem Stuhl eines Barbiers. Zwei Männer in Zivil, wenn auch mit militärischer Haltung, nähern sich ihm leise und sprechen mit ihm. Er hört höflich zu. Er nimmt das Tuch unter seinem Kinn weg, entschuldigt sich bei dem Barbier, der mit ängstlichem Blick zurücktritt. Der Kunde zuckt die Schultern. Er steckt dem Barbier Münzen in die Hand, wehrt den Protest ab und geht dann mit den beiden Offizieren, die zu ihm gekommen sind. Er gibt sich den Anschein eines einflussreichen Mannes, der das Opfer eines schweren Versehens geworden ist. Sein gequältes Verhalten zeigt, dass er zu weltgewandt ist und vielleicht zu wichtig, um öffentlich Theater wegen dieses Irrtums zu machen. Es wird sich aufklären. Sobald seine Erklärungen von den Autoritätspersonen akzeptiert worden sind, wird es Ärger geben. Eine schwache Andeutung hängt in der Luft, dass ein anmaßender Trottel schwer dafür bezahlen wird.
Der verwirrte Barbier widmet sich wieder seinem Geschäft. Der nächste Kunde steht auf, setzt sich aber nicht auf den Rasierstuhl. Er sagt ein paar Worte. Der Barbier schaut erstaunt, dann verängstigt: Er geht mit dem Mann weg, der dunkles, lockiges Haar und einen festen Schritt hat. Auch dieser Laden wird geschlossen und versiegelt.
Jetzt liegt eine weitere Straße friedlich da. Der Einsatz ist bisher gut gelaufen: Pyro und Spleiß sowie ein paar ihrer Spießgesellen sind auf Befehl des Statthalters verhaftet worden.
XXXIII
Ich hatte zugeschaut, wie die beiden Männer geschnappt wurden. Petronius und ich hatten das ›Ganymed‹ durchsucht: kein Glück. Falls dort jemals Geld oder etwas anderes verwahrt worden war, hatte man es vor kurzem entfernt. In dem Raum, in dem Spleiß und Pyro gehaust hatten, fanden wir nur ein paar persönliche, ziemlich bescheidene Besitztümer.
Fluchend machten wir Pläne. Petronius Longus würde den Fährmann wegen Informationen über das Boot, vom dem der Bäcker in den Tamesis geworfen worden war, unter Druck setzen. Er würde sich auch an Firmus wenden, um herauszufinden, wo der Angriff auf den Bäcker erfolgt war. Wir hatten das Gefühl, dass es nahe beim Fluss passiert sein musste, vermutlich in einem Lagerhaus. Dort sollte es Blutspuren geben.
Ich würde mich darum kümmern, was weiter mit Pyro und Spleiß passierte. Die Männer des Statthalters würden ihr Verhör überwachen, aber ich rechnete
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