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Mord in Oxford

Mord in Oxford

Titel: Mord in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Sie besaß ein Sammelsurium kleiner Objekte, die sie auf dem Kaminsims im Wohnzimmer aufzubewahren pflegte. Meist handelte es sich um Andenken oder merkwürdige Stücke, die man ihr geschenkt oder die sie selbst aufgetrieben hatte: Postkarten, Briefbeschwerer, Löffel, Holz- und Keramikfigürchen, eine Porzellandose, ein Parfümfläschchen, ein winziges Stück bestickter Seide. Sie räumte alles vom Sims herunter und trug es in die Küche, um es abzustauben oder abzuwischen, je nachdem. Sie ließ warmes Wasser ein, gab einen Spritzer Spülmittel dazu und begann, den vergangenen Abend Revue passieren zu lassen.
    Ungefähr zu der Zeit, als Yvonne umgebracht wurde, musste sie in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Wie hatte Camilla noch gesagt? Ein Geruch nach warmem, rohem Fleisch. Kate schluckte. Sie nahm einen Igel aus blauem Steingut und wischte ihn ab. Warum mochte Camilla ihr nicht erzählen, weshalb sie in Yvonnes Haus gewesen war? Warum verbarg sie den Grund selbst vor ihrer besten Freundin? Es musste um etwas wirklich Schlimmes gehen. Etwa Mord? Kate nahm eine ausrangierte Zahnbürste und schrubbte die Silberlilie auf ihrem Riechfläschchen. Zugegeben: Das war die einleuchtendste Lösung. Aber was war mit Penny? Oder Gavin? Genau genommen auch Rose. Kamen sie nicht alle als Mörder in Frage? Camilla war in dem Glauben gewesen, Yvonne befinde sich in einem Meeting, als sie in ihr Haus eindrang. Vielleicht war sie überrascht worden; dann allerdings wäre es kein Mord, sondern allenfalls Totschlag. Gavin hingegen war gar nicht dabei gewesen, als Sophie Yvonnes Fehlen erklärte. Wenn er bei Yvonne gewesen war – aus welchem Grund auch immer – dann hatte er erwartet, sie am frühen Abend zu Hause vorzufinden.
    Kate tauchte einen Briefbeschwerer aus grünem Glas in das warme Wasser; er fühlte sich glatt und schwer an, und sie dachte darüber nach, wie es wäre, ihn hochzuheben und fallen zu lassen. Und zwar mit Schwung fallen zu lassen. Auf den Kopf eines Menschen. Yvonnes Kopf. Kate schloss die Augen. Sie mochte sich dieses Bild nicht vorstellen. Sie legte den Briefbeschwerer zum Trocknen auf die Geschirrablage und widmete sich zwei harmlosen Perlmuttlöffeln. Plötzlich fiel ihr die Gestalt ein, die ihr auf der Redbourne Road begegnet war. Zwar hatte sie den Kragen hochgeschlagen und war mit tief in die Stirn gezogener Mütze so gut wie unkenntlich gewesen, aber irgendetwas an ihr war Kate bekannt vorgekommen. Nachdenklich wischte sie die erste der beiden Porzellankatzen ab.
    Bis sie ihren Nippes schließlich abgestaubt oder gespült und wieder in wohl überlegter Zufälligkeit auf dem Kaminsims arrangiert hatte, war es ihr gelungen, die Ereignisse des bewussten Abends in eine ungefähre zeitliche Reihenfolge zu bringen. Als sie so weit vorgedrungen war, entschloss sie sich, Andrew anzurufen.
    Andrew arbeitete in der Bodleian Library, der Bibliothek der Universität Oxford, deren 130 Kilometer unterirdische Bücherregale sowohl mit unbezahlbaren Schätzen als auch mit vergilbenden Taschenbüchern voll gestopft sind. Zwar schimpfte er zunächst ein bisschen, aber schließlich willigte er doch in einen vierundzwanzigstündigen Aufschub ihres Treffens ein. Allerdings wollte er sie unter diesen Umständen nicht in das teure Restaurant ausführen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte. Stattdessen würde es Essen von Marks and Spencer sowie eine (oder zwei) Flaschen Wein geben, für die er sorgen wollte.

    Kate war gerade beim Staubsaugen, als es wieder klingelte. Einen Augenblick lang fürchtete sie, die zwei Polizisten kämen zurück, aber es war Penny. Ungeduldig schob sie Kate in den schmalen Flur. Ihr sonst so lockiges dunkles Haar sah platt und ungepflegt aus, und sie runzelte die Stirn.
    »Hör mal, Kate, wir haben uns noch einmal über gestern Abend unterhalten.« Sie unterbrach sich. »Du hast doch sicher auch schon von Yvonne gehört, oder?« Kate nickte. »Also, wir wollen doch alle nichts damit zu tun haben, denke ich. Ich meine, wir wollen doch sicher nicht, dass irgendjemand glaubt, wir hätten gestern Abend etwas Ungesetzliches getan.«
    »Zum Beispiel Dosen stehlen.«
    »Schließlich hat das ganz klar nichts mit diesem furchtbaren Mord zu tun. Vermutlich würde es die Polizei nur verwirren, wenn sie davon erführe. Leute wie wir haben doch nichts mit Morden zu schaffen, findest du nicht?« Die Worte ›anständige Leute tun so was nicht‹ standen zwar im Raum, blieben aber unausgesprochen.
    »Du

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