Mord in Thingvellir
Alibi für jenen Freitagabend ab halb neun Uhr hat. Es sei ja nun eindeutig durch Zeugenaussagen belegt, dass er seiner Tochter wegen ihrer ganz natürlichen Freundschaft zu isländischen Schulkameraden und Gleichaltrigen Gewalt angetan hat. Der Starter, der im Pfuhl gefunden wurde, habe sich tatsächlich drei Tage vor dem Mord in der Werkstatt von Toppautos befunden. Aus diesen Tatsachen könne geschlossen werden, dass ein begründeter Verdacht gegen Múhammed besteht, den Mord an Soleen verübt zu haben oder wenigstens daran beteiligt gewesen zu sein. Die Werkstatt sei ein möglicher Tatort, und wahrscheinlich wurde der Jeep benutzt, um die Leiche nach Thingvellir zu bringen. Deshalb sei es fürden Fortgang der Ermittlungen wichtig, dass die Spezialisten der Polizei die Erlaubnis erhalten, weitere Beweise sowohl in der Werkstatt, als auch im Auto zu suchen.
Ich lege Einspruch gegen die Hausdurchsuchung ein. Und gegen die fadenscheinigen Begründungen vom Bezirkie.
Weise darauf hin, dass Múhammed seine Tochter am Abend und erneut am Samstagmorgen gesucht hat. weil er nicht wusste, wo sie sich aufhielt. Er habe auch sämtlichen vorgebrachten Anschuldigungen widersprochen, in denen ihm Gewaltanwendung gegenüber seiner Tochter unterstellt wird, die hauptsächlich auf Behauptungen, Klatsch und Tratsch beruhen. Darüber hinaus hätten viele andere außer Múhammed die Möglichkeit gehabt, den Starter mitzunehmen. Es sei nicht erlaubt, meinem Klienten gegenüber zu solch folgenschweren Maßnahmen zu greifen, ohne handfeste Beweise vorweisen zu können.
Aber meine Worte haben keinen Einfluss. Ich könnte genauso gut versuchen, gegen einen Sturm aus dem Norden anzupusten. Der Bezirksrichter nimmt sich noch nicht einmal Bedenkzeit, bis er seinen Beschluss verkündet. Er gibt allem statt, was der Bezirkie beantragt.
Halldór wartet vor dem Gerichtssaal auf uns. Mit einer Miene wie ein schlechtgelaunter Geier.
Er verstellt Múhammed den Weg. Und sagt kühl:
»Gib mir die Schlüssel zum Jeep und der Werkstatt.«
»Muss ich das?«, fragt Múhammed und guckt mich an.
»Das ist am einfachsten«, antworte ich. »Sonst brechen sie die Schlösser auf und stellen alles auf den Kopf.«
Múhammed zieht einen Schlüsselbund aus der Tasche.
Löst zwei Schlüssel vom Ring und reicht sie Halldór, der mit seiner Beute auf dem Absatz kehrtmacht.
Wir gehen gemeinsam an die frische Luft. In der hellen Morgensonne wimmelt es von Menschen in der Innenstadt.
»Dann hat es uns wohl nichts genützt, damit vor den Richter zu gehen«, sagt Múhammed.
»Ganz im Gegenteil«, antworte ich. »Jetzt weißt du wenigstens mehr darüber, wie und wann Soleen starb.«
»Ja, da hast du Recht«, sagt er. »Aber die sind immer noch der Meinung, dass ich das die ganze Zeit gewusst habe.«
»Und, wusstest du es?«
»Nein.« Wieder wallt eine zügellose Heftigkeit in den braunen Augen auf. »Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
»So oft, wie ich es für nötig halte.«
Múhammed blickt sich suchend um.
»Ich brauche ein Taxi, um nach Hause zu kommen«, sagt er.
»Komm, ich fahre dich.«
Er wohnt in einem hell gestrichenen Hochhaus. Am Engihjalli in Kópavogur, neben der kleinen Geschäftszeile und der Tankstelle.
»Ich habe das Gefühl, als wäre ich in einem dichten Netz gefangen, aus dem ich mich nicht befreien kann, egal, was ich versuche«, sagt er auf dem Weg zu seiner Wohnung.
»Eines kannst du machen«, sage ich. »Gib mir eine Liste von allen Telefonaten, die du am sechsten und siebten August geführt hast.«
»Warum?«
»Ich möchte schwarz auf weiß sehen, wen du an diesen beiden Tagen angerufen hast, wann, und von welchem Anschluss aus. Möglicherweise können wir dir damit ein brauchbares Alibi beschaffen.«
»Ja, ich verstehe, ich werde diese Liste besorgen.«
Gegen elf kommt Andrés zu mir zu Besuch.
Ich bitte ihn ins Wohnzimmer in die obere Etage. Koche uns einen starken Espresso. Bevor ich das Video in den Rekorder einlege.
Andrés rutscht bis an die Sofakante. Beugt sich vor, stützt die Ellenbogen auf seine Oberschenkel und den Kopf in die Hände. Und starrt seine Tochter auf der Mattscheibe an.
Interessiert und konzentriert nimmt er jedes einzelne Wort auf, das Fjóla sagt. Bis zum Ende des Gesprächs.
Dann reibt er sich die Augen.
»Das ist ja sogar noch schlimmer, als ich befürchtet habe«, murmelt er. »Am schlimmsten finde ich. dass ich auch daran schuld bin.«
»Inwiefern?«
»Ich habe doch selber so
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