Mord in Thingvellir
Holzbank zu setzten.
Der junge Gemeindepfarrer hat auf der Geburtstagsfeier zu viel getrunken. Aber auch in diesem Zustand sieht er verdammt verführerisch aus.
Ich gehe langsam zum Tisch. Beuge mich über ihn.
»War wohl ’ne tolle Party, was?«
»Ja, es herrschte wirklich viel Freude«, antwortet er und sieht lächelnd zu mir auf. »So ist mein Beruf nun mal, vormittags eine Beerdigung und abends eine Feier.«
Ich kann nicht widerstehen. Fahre mit meinen Fingern durch sein dunkles Haar. Packe dann schnell seinen Nacken. Beuge mich hinunter. Küsse seine feuchten Lippen.
Der Gottesmann reagiert wohlwollend. Beantwortet leidenschaftlich meinen Kuss.
»Hmmm!«
Er steht auf.
Umarmt mich und presst seinen Bauch an meinen. Begierig und angetörnt. Als ob er Zeit und Ort vergessen hätte. Und seinen Herrn auch.
Der alte Tisch knarrt. Wir brauchen mehr Platz.
»Komm!«, flüstere ich.
Gehe mit ihm in die dämmrige Kirche. Umarme ihn eng vor dem Altar. Gebe ihm einen feuchten Kuss. Öffne seine Hose. Umfasse seinen aufgeregten Prinzen, der sich mir hart und willig entgegenstreckt.
Schon bald hat die zügellose Begierde den Gottesmann in ihrer Hand.
Ich ziehe ihn nach unten auf den Fußboden. Habe die suchende Schlange fest im Griff. Zeige ihr den herrlichen Weg ins Paradies.
»Aha!«
Der gesalbte Knabe müht sich auf mir ab. Vollkommen von Lust überwältigt. Als ob er mit mir den alten Kirchenfußboden durchbrechen wollte.
Im Zwielicht ist das Altarbild nur schemenhaft erkennbar. Aber die letzten Strahlen der Abendsonne erhellen einen Teil des Gesichts.
Jesus Christus am Kreuz.
Es sieht so aus, als würden seine Augen unser Tun genau verfolgen. Jede einzelne Bewegung. Wie ein geübter Voyeur.
»Oh Gott!«, flüstere ich unwillkürlich.
»Ja!«, ruft Pfarrer Finnbogi. Seine Stimme hat sich total verändert.
Ich verschränke meine Beine auf dem Rücken des willigen Gottesmannes. Presse ihn an mich. Als wollte ich versuchen, ihn im Ganzen zu verschlingen.
Ein bittersüßer Höhepunkt nimmt meinen Körper ein.
»Gott!«, wiederhole ich.
»Ja!«, stöhnt der Kerl.
»Gott!«
»Ja!«
»Gooott!«
»Jaaa!«
Hinterher bleibe ich noch eine Weile reglos auf dem Holzboden liegen. Mit dem gesalbten Knaben auf mir. Ohne dem allsehenden Blick des Altarbildes auszuweichen.
»Nichts gleicht einer Ekstase im Paradies.«
Sagt Mama.
24
Montag, 6. September
In der Hauptstadt herrscht eine feindselige Atmosphäre.
Auf den ersten Blick scheint alles so zu sein wie immer, bevor ich in den Osten gefahren bin.
Aber ich bemerke neue, unangenehme Untertöne. Als ob die Ruhe vor dem Sturm herrscht. Und sich ein wildes Unwetter unter der Oberfläche zusammenbraut.
Es sprechen auch alle über das Gleiche. Wohin ich auch komme.
Der Mord im Ertränkungspfuhl.
Der Leichenfund in Thingvellir scheint die Volksseele mehr aufgerüttelt zu haben als jeder andere Fall in den letzten Jahren. Hat fanatische Gerüchte und Spekulationen losgetreten. Und hitzige, wortgewaltige Debatten in der Presse und im Internet, ob die Integration von Ausländern in die isländische Gesellschaft fehlgeschlagen sei. Besonders die von Moslems, die mit fremden Glaubenspraktiken und Sitten im Gepäck ins Land gekommen sind.
Bis vor kurzem haben einflussreiche Politiker sich nur extrem vorsichtig zu diesem Thema geäußert. Sich geweigert, unnötig das brisante Thema anzuschneiden, mit dem sich schon die Vertreter der verschiedenen Kulturkreise auseinandergesetzt haben.
Außer Grímur Rögnvaldsson.
»Die Ausländer, die sich in Island niederlassen und isländische Staatsbürger werden wollen, müssen sich selbstverständlich den Gesetzen und Sitten der isländischen Gesellschaft anpassen«, sagte der Justizminister in einem langen Interview mit dem Morgunbladid zum Thema Immigranten.
»Sie müssen nicht nur die isländische Sprache lernen, sondern sich auch den Gepflogenheiten der hiesigen Gesellschaft anpassen. Dies umfasst vor allem die Achtung der Menschenrechte aller Mitbürger dieses Landes, von Frauen und Männern, aber auch, die Freiheit und Unabhängigkeit jedes Einzelnen zu respektieren. Natürlich herrscht bei uns in Island Glaubensfreiheit, aber das gibt niemandem das Recht, seine Töchter und Frauen im Namen eines Glaubens zu unterdrücken. Solche Menschenrechtsverletzungen werden von uns streng verfolgt, und diejenigen, die mit isländischem Recht und Gebräuchen nicht einverstanden sind, sollten sich eine neue Bleibe
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