Mord inclusive
Mir stand der Mund offen, aber ich brachte keinen Ton heraus.
»Alan Stratton«, wiederholte er verunsichert. »Von der Ägyptenreise.«
»Alan«, stieß ich schließlich heiser hervor. »Natürlich weiß ich, wer Sie sind. Ich bin nur etwas überrascht.« Ich schluckte, fuhr hoch und stieß dabei den Stapel Arbeiten um. »Wie geht es Ihnen? Ich meine, wie fühlen Sie sich?«
»Ganz wiederhergestellt«, sagte er etwas sicherer. »Ich bin in den USA zurück.«
»Das ist schön. Keine Nachwirkungen? Keine Kopfschmerzen?« Die letzte Frage kam etwas zaghaft. Eigentlich wusste außer mir niemand, wer ihm die Kopfverletzung zugefügt hatte.
»Sie sind vorbei, wie weggeblasen. Aber ich habe gehört, ich habe Ihnen meine Rettung zu verdanken.«
»Oh, ich ... nein. Ich habe gar nichts getan«, sagte ich leise.
»Da habe ich aber etwas ganz anderes gehört.« Er schwieg einen Moment und räusperte sich. »Wie dem auch sei, ich überlege, wie ich das wiedergutmachen kann. Vielleicht, ich weiß nicht, könnten wir mal zusammen essen gehen?«
»Sehr gern«, sagte ich. Wollte er etwa nach Austin kommen? Nur um mich zu sehen? Ich wurde plötzlich ganz aufgeregt.
»Wie ist es mit heute Abend?«
»Heute Abend?«
»Wenn Sie schon etwas vorhaben, kann ich das natürlich verstehen«, fügte er hastig hinzu.
»Sie sind doch nicht etwa in Austin?«
»Genau genommen, ja. Ich wollte erst direkt zu Ihnen kommen, dann aber dachte ich, ich könnte doch nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen.«
Jetzt hielt es mich nicht mehr an meinem Platz. Aufgeregt lief ich hin und her. Kurz überlegte ich, woher er meine Adresse hatte, aber das spielte nun keine Rolle mehr. Er war hier. In meiner Stadt. Und er wollte mich sehen. Ich kam mir vor wie einer meiner Schüler, nicht der hellste.
»Jocelyn?«
»Geben Sie mir eine Stunde«, rief ich und legte auf.
Ich stand schon fast unter der Dusche, da wurde mir klar, wie idiotisch das geklungen haben musste. Aber jetzt war es zu spät. Ich drehte das Wasser auf. Als ich fertig war, lief ich zum Telefon zurück und tippte Kylas Nummer ein.
»Hey«, antwortete sie faul. Sie kann sehen, wer anruft, aber ich weiß nicht, ob sie deshalb abnahm.
»Alan! Alan hat sich gemeldet! Er kommt gleich zu mir und geht mit mir aus!«
»Was?« Ich konnte hören, wie sie sich im Bett aufsetzte.
»Alan Stratton. Er ist hier.« Ich legte das Telefon ab, weil ich mir ein Hemd über den Kopf zog.
»Alan? Der aus Ägypten? Machst du Witze?«, rief sie in den Hörer, als ich ihn wieder aufnahm.
»Ich denke nicht daran! Er hat gerade angerufen.« Ich schleuderte meine Pantoffeln von den Füßen. Einer flog quer durch den Raum und hinterließ einen hässlichen Abdruck an der weißen Wand. Aber das kümmerte mich jetzt nicht.
»Was heißt, hier?«
»Hier! In Austin! Er wird gleich bei mir sein.«
»Was quatschst du dann noch mit mir, du Idiotin?«
»Weil ich etwas vorhabe, was wir einander nie antun wollten. Ich sage dir für heute Abend ab – wegen eines Mannes.«
Sie musste lachen. »So ein Quatsch, ich hätte da überhaupt keine Skrupel. Dass du mir aber später alles ordentlich erzählst. In allen verschwitzten, korsettsprengenden Einzelheiten!«
»Das wird sich zeigen. Außerdem glaube ich nicht, dass er ein Korsett trägt.«
Das ignorierte sie. »Und zieh das neue Sommerkleid an. Wenn ich rauskriege, dass du ihn in diesen jämmerlichen Jeans empfängst, in denen dein Hintern so dick wirkt, verhaue ich dich nächste Woche.«
Ich musste lachen und legte auf. Dann stutzte ich einen Augenblick. Was war schlecht an meinen Jeans? Aber egal, mit dem Kleid hatte sie recht.
Genau eine Stunde später stand Alan vor meiner Tür. Er sah irgendwie anders aus. Das lag nicht an der kleinen Narbe über der rechten Augenbraue. Er wirkte größer. Auch seine Augen erschienen mir so grün wie nie zuvor. Vielleicht kam mir das nur so vor, weil ich ihn hier in meinem Revier und nicht in der Gruppe sah, wo ich ihn kennengelernt hatte. Er suchte offenbar etwas in meinem Gesicht. Das machte mich ganz verlegen.
»Kommen Sie doch herein«, sagte ich, weil mir wieder einfiel, was sich gehörte. Ich trat zurück und hielt ihm die Tür auf.
Er machte einen Schritt an mir vorbei, dann drehte er sich um und umarmte mich. Leider fühlte sich das an, wie man einen Freund umarmt.
»Es ist wirklich schön, Sie zu sehen«, sagte er. Das klang wenigstens ehrlich.
»Ganz meinerseits«, gab ich zurück. »Wie fühlen Sie
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