Mord inclusive
ich es für immer sein lassen.
Das Sonnendeck der Nile Lotus war an diesem Abend gut gefüllt. Während des Tages hatte die Mannschaft alle Liegestühle an die Reling geschoben und in der Mitte neben der Bar eine kleine Tanzfläche eingerichtet. Reling und Bar waren mit Lichterketten geschmückt, was eine festliche Atmosphäre zauberte. Schwatzend und lachend strömten die Passagiere von unten herauf. Alle Reisenden unserer Gruppe hatten sich in Galabiyas in leuchtenden Farben geworfen. Eine Ausnahme machte nur Jerry, der in einer frischgebügelten Khakihose und mit saurer Miene antrat.
»Ich habe gehört, wie Anni mit dem anderen Reiseführer dort in der Ecke gesprochen hat. Zwischen ihnen läuft eine Art Wettbewerb, von wem die meisten Leute zur Party kommen«, sagte Lydia.
»Vielleicht haben sie ja gewettet?«, meinte Kyla.
»Das hoffe ich. Ich bin mir sicher, Anni gewinnt sie mit links. Ich weiß nicht, wie sie das macht. Sie bringt es fertig, dass wir immer das tun, was sie will. Ich hätte nie gegleubt, dass man Ben in so ein Kostüm kriegt, aber sie hat es geschafft.« Lydia strahlte.
Da kam auch schon Ben auf uns zu. Er hatte zwei Martini in der Hand und war ein wenig verlegen. Wenn ich es recht bedachte, wirkten die Galabiyas in der Tat wie eine Verkleidung. Die meisten Männer trugen eine Hose unter dem Gewand, nur Bens blasse Beine schauten wie behaarte Stöcke etwa zwanzig Zentimeter darunter hervor, bis sie in Tennisschuhen und weißen Socken verschwanden.
»Ein schneidiger Bursche bist du heute Abend, mein Lieber«, sagte Lydia zärtlich zu ihm. So schamlos lügen konnte man nur mit australischem Akzent. Ich lächelte den beiden zu.
»Wo ist denn Jane heute Abend?«, fragte ich und blickte mich um.
Ben und Lydia wechselten einen Blick. »Ihr geht es immer noch nicht so richtig gut. Wir wollten sie mitbringen, damit sie wenigstens etwas frische Luft hat, aber sie wollte lieber unten bleiben. Diese Reise ist ein richtiger Reinfall für sie.«
Bevor das Schweigen unangenehm werden konnte, griff Kyla ein. »Die sehen gut aus«, sagte sie und meinte die Martini. »Ich hole mir jetzt einen. Was möchtest du, Joss?«
»Eine Bloody Mary, wenn sie hier Tomatensaft haben. Und wenn nicht, dann ein Glas Wein.«
»Sie haben«, sagte Ben zu mir, als Kyla gegangen war. »Ich habe den Barkeeper gerade eine Bloody Mary mixen sehen.« Dann machte er große Augen. »Eine tolle Kette haben Sie da, Jocelyn.«
Lydia wurde aufmerksam, und ihre Augenbrauen hoben sich fast bis zum Haaransatz. »In der Tat, ist die schön. Erlauben Sie?«
Ich nickte. Sie kam mir ganz nahe und hob das Schmuckstück ein wenig an, um es genauer in Augenschein zu nehmen. Dann richtete sie sich wieder auf und taxierte mich mit einem Blick.
»Genau so etwas suche ich für mich. Können Sie mir sagen, wo Sie sie gefunden haben, wenn es kein Geheimnis ist?«
»In Edfu. Das war eine merkwürdige Geschichte.« Ich erzählte ihnen eine Kurzfassung, aber auch die war eigenartig genug.
»Verrückt«, sagte Lydia, als ich geendet hatte. »Die haben sie Ihnen in die Hand gedrückt und Sie dann rausgeworfen?«
»So ungefähr. Ich denke, weil sie mir vorher solche Angst eingejagt hatten.«
»Haben Sie ein Glück. Die ist einfach umwerfend.«
Die Atmosphäre hatte sich unmerklich verändert. Die Luft war immer noch angenehm und klar. Nur eine ganz leichte Brise wehte. Lydia und Ben genossen lächelnd ihre Drinks, aber etwas war anders. Mir ging durch den Sinn, dass sie meine Geschichte vielleicht nicht glaubten. Das war ihnen nicht einmal übelzunehmen. Ich glaubte sie ja selber kaum.
»Lass uns etwas näher zur Tanzfläche gehen«, sagte Ben, und sie entfernten sich.
Ich beschloss, die Geschichte keinem mehr zu erzählen.
Ich ging zu Kyla, und wir ließen uns an der Reling nieder. Tief unten spiegelten sich die goldenen Lichter unseres Schiffes im pechschwarzen Wasser des Nils. Edfu lag weit hinter uns. An den Ufern brannten nur wenige Lichter, und man konnte kaum noch sagen, wo das Wasser endete und das Land begann.
Eine Truppe nubischer Trommler stapfte mit großem Getöse die Treppe herauf. Jetzt traten die Reiseführer in Aktion und forderten die Gäste zum Mitmachen auf. Im Handumdrehen hatte sich eine Conga-Reihe gebildet. Kyla sprang sofort auf und schloss sich ihr an. Ich blieb sitzen und schlürfte weiter meine Bloody Mary. Bis mir danach war, an Deck zu tanzen, brauchte ich wohl noch etwas Alkohol.
Alan sah ich eher
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