Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
mit der Zeit gehen, Alan.«
»Warum?« hatte er verdrießlich gefragt.
Als ihm Lauras Bemerkung über das böse Blut zwischen Nachbarn einfiel, mußte er wieder an den jungen Lorrimer denken, den seine Nachbarn nicht sehr geliebt hatten, obwohl es ihm anscheinend leichtgefallen war, bei nur wenigen flüchtigen Begegnungen eine intelligente, um nicht zu sagen scharfsinnige Frau wie Meredith Mitchell zu beeindrucken. Nach den ersten Untersuchungen sah es ziemlich eindeutig nach einem Fall von Vergiftung aus. Endgültiges würde man aber erst nach einer genauen Obduktion wissen. Jemand, der ihn noch weniger leiden konnte als die meisten, hatte ihm das Gift höchstwahrscheinlich absichtlich verabreicht. Aber warum? Ganz zu schweigen von der Frage nach dem Wie.
Meredith Mitchell … ein gescheites Mädel, dachte er mürrisch, aber etwas verschweigt sie. Einen netten Kerl hatte sie Lorrimer genannt. Aber sie hatte nicht, wie später Markby, das Cottage durchsucht. Das heißt, sie sagte, sie habe es nicht getan. Vielleicht log sie. Es war ein Gedanke, der ihm gar nicht gefiel, doch er war Polizeibeamter, der in einem Fall ermittelte, und mußte alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, unabhängig davon, wie sehr sie ihm persönlich widerstreben mochten. Sie hatte selbst zugegeben, daß sie ins Haus gegangen war, um ein Telefon zu suchen. Vielleicht hatte sie sich bei der Gelegenheit rasch auch nach etwas anderem umgesehen – aber wonach?
Es hatte dort reichlich Hinweise darauf gegeben, daß der junge Lorrimer alles andere als ein angenehmer Typ gewesen war. Er rauchte Gras. Er zog das Zeug sogar selbst am Ende des verwilderten Gartens, versteckt hinter der Ehrenpreishecke. Im Vergleich zu der Literatur, die er las, nahmen sich die pornographischen Romane, die man beim Zeitungshändler bekam, wie Kinderkram aus. Er bezog eine ganz besonders widerwärtige Zeitschrift, die ins Land geschmuggelt und beschlagnahmt wurde, wenn die Zollbeamten ihrer habhaft werden konnten. Ein ziemlicher Schmutzfink, der Junge. Aber mit einem offensichtlich einnehmenden Wesen. Das war das Schwierige bei diesen Typen. Markby war seinesgleichen schon oft begegnet. Charmant, sympathisch, liebenswert, begnadete Lügner. Bis man mit ihnen zu tun bekam und sie richtig kennenlernte, hatte man einfach keine Ahnung von ihrer Persönlichkeit, dann jedoch stellte man fest, daß man es mit Jekyll und Hyde zu tun hatte. Und vor Gericht – wenn es überhaupt jemals so weit kam – glichen sie blütenweißen Dr. Jekylls und kamen unter Umständen sogar mit einem Mord davon. Nur daß in diesem Fall durchaus die Möglichkeit bestand, daß Philip Lorrimer das Opfer eines Mordes geworden war.
Warte das Ergebnis der Obduktion ab, Markby, sagte er sich, und leerte den Becher. Aber es würde sich als Mord herausstellen, das spürte er in den Eingeweiden.
Also zurück zum Warum. Eine Anzahl unerfreulicher Dinge waren im Cottage gefunden worden, aber keines schien ein ausreichendes Motiv für Mord zu sein. Lorrimers zu Hause gezogenes Gras würde die kolumbianischen Drogenbarone wohl kaum so beunruhigt haben, daß sie einen gedungenen Mörder auf ihn angesetzt hatten; und außerdem vergifteten die ihre Opfer nicht, sie bliesen ihnen das Hirn aus dem Schädel. Das gleiche galt für die Pornos. Es gab keinerlei Indiz dafür, daß Lorrimer ein wichtiges Glied in der Verteilerkette eines nordeuropäischen Lieferanten war. Wäre er es gewesen, hätte man sicher keine einschlägigen Artikel in seinem Haus gefunden, und er hätte auf viel größerem Fuß gelebt. Nein, der Unbekannte, der das Cottage durchsucht hatte, war hinter etwas anderem hergewesen. Aber hatte diese Person gefunden, worauf sie aus war? Oder hatte es bisher niemand entdeckt – auch nicht die Polizei?
»Wenn es noch da ist«, murmelte Markby vor sich hin, »dann kommt der Mörder wieder.«
Er begann über Eve Owens nachzudenken. Eine wirkliche Schönheit. Die Augen, die Gesichtszüge … und mit einer Figur, als wäre sie erst halb so alt … Der einzige Makel war ihre Haut, ein Gitterwerk aus einer Myriade winziger Fältchen unter dem Makeup. Er rief sich in Erinnerung, wie sie bei Robert Freemans Beerdigung gewesen war, anmutig und kummervoll. Und beim Dinner vor ein paar Tagen, in einem pinkfarbenen Chiffonkleid funkelnd wie ein Glas Champagner rosé. Oho! Aus solchem Stoff wurden Träume gemacht.
Aber sie war kein Traum, sie war eine lebendige Frau, und das Leben in der alten Pfarrei mußte sehr
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