Mord ist aller Laster Anfang: Ein Mitchell & Markby Roman
Dann wurde sie wieder ernst: »Während ich auf die Polizei wartete, hatte ich Gelegenheit, mir ein paar von Lorrimers Töpferarbeiten anzuschauen. Es war keine Pietätlosigkeit, verstehen Sie. Aber es war besser, als ihn die ganze Zeit anzusehen …«
Markby nickte.
»Er war wirklich recht gut. Einige seiner Arbeiten sind Kitsch, aber andere haben was. Hätte er nicht Aschenbecher für Souvernirläden machen müssen, hätte er sich vielleicht zu einem ernsthaften Künstler entwickelt.«
»Wenn und vielleicht«, sagte Markby ruhig, »das sind die großen Unwägbarkeiten. Sind Sie sicher, daß Sie den Riegel zurückschieben mußten, als sie die Gartentür zur Love Lane öffneten?«
»Ja, ganz sicher. Die Tür war verschlossen.«
Sie verabschiedeten sich. Als Markby zu seinem Wagen zurückging, dachte er: Vielleicht sollte ich beantragen, von diesem Fall abgezogen zu werden, bevor ich mich richtig darauf einlasse. Doch er hätte keinen echten Grund dafür nennen können, nur eine innere Unzufriedenheit und vielleicht noch etwas anderes. Dann sagte er laut: »Um Himmels willen, nein, nicht in deinem Alter!«
Meredith sah Markby abfahren und ging dann ins Haus. Als sie die Tür hinter sich zumachte, wurde ihre Niedergeschlagenheit noch durch das Gefühl verstärkt, sich nicht so verhalten zu haben, wie sie sollte. Sie hatte schon mit der Polizei zu tun gehabt, aber immer im Ausland und in Konsularangelegenheiten. Ihr Beruf hatte sie zu einer gewissen Vorsicht und Verschwiegenheit erzogen und zu einer instinktiven Abneigung dagegen, alles zu sagen. Teile von dem, was du weißt, immer nur das Nötigste mit! Mach das zu deinem Leitsatz! Und das hatte sie jetzt befolgt. Wie eine versierte, in der Wolle gefärbte Konsulatsangestellte hast du ihm so wenig wie möglich gesagt, warf sie sich vor.
Sie hatte Markbys Fragen zwar beantwortet, aber sehr mitteilsam war sie nicht gewesen. Die tief in ihr verwurzelte Gewohnheit, ihre Karten vorsichtig eine nach der anderen auszuspielen und geschickt zu lavieren, um einen britischen Staatsbürger zu schützen, der in Schwierigkeiten geraten war, hatte sie bei dem Gespräch stark beeinflußt, wie sie sich jetzt widerwillig eingestand. Sie hätte ihm, zum Beispiel, sagen müssen, daß sie Jerry auf dem Friedhof gefunden hatte. Ein dunkler Instinkt, den armen alten Bert nicht hineinzuziehen, hatte sie daran gehindert – aber, vielleicht war er gar kein armer alter, sondern ein böser alter Bert. Meredith seufzte. Es war nicht das einzige, was sie Alan Markby verschwiegen hatte. Nach einigem Überlegen sagte sie sich jedoch, daß sie zwar die Untersuchungen unterstützen sollte, es aber nicht sehr hilfreich wäre, wenn sie Kleinigkeiten zuviel Gewicht beimaß. Unwesentliche Dinge würden nur falsche Spuren legen und in die Irre führen. Es war ihr gerade gelungen, ihr Gewissen etwas zu beruhigen, als sie hinter sich dumpfe Schritte hörte. Sie wandte den Kopf und sah Elliott die Treppe herunterkommen.
Betont sportlich sprang er die letzten beiden Stufen, die in die Eingangshalle führten, mit einem Satz herunter. Er hatte sich umgezogen und trug nicht mehr den Jogginganzug, sondern eine braune Hose, dazu einen farblich darauf abgestimmtem Golfpullover mit einem Rautenmuster auf der Brust. Ihr kam der respektlose Gedanke, daß er eigentlich ein T-Shirt mit dem Aufdruck Ich achte auf mein Cholesterin tragen sollte.
»Der Typ von der Mordkommission gegangen?« fragte er schnippisch.
»Warum nennen Sie ihn so?« entgegnete sie unfreundlich.
»Weil er es ist, oder?« Elliott spitzte die Lippen. »Was hatte er zu sagen?«
»Es war eigentlich ein privates Gespräch – aber wenn Sie’s unbedingt wissen wollen, er kam, um von mir zu erfahren, wie ich die Leiche gefunden habe.« Sie hielt inne und fügte dann trocken hinzu: »Was haben Sie befürchtet, daß er fragen könnte?«
»Was sollte das mit diesen Pflanzen?« Als er merkte, daß sie ihn überrascht anstarrte, erklärte er: »Mein Zimmer geht auf den Garten hinaus. Ich habe Sie beide beobachtet.«
»Das war ziemlich unverfroren!« sagte sie ärgerlich. Doch man konnte ihm wohl kaum einen Vorwurf daraus machen, daher setzte sie förmlich hinzu: »Ich bin ziemlich mit den Nerven fertig, Albie. Ich hab den armen jungen Kerl tot aufgefunden.« Sie wich ostentativ ein paar Schritte von ihm zurück.
Doch Elliott folgte ihr unbeirrt in den Salon. »Nehmen Sie es sich nicht zu Herzen. Klar, es ist ein Jammer. Aber sehen wir es doch einmal so –
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