Mord ist kein Metier für Mädchen
das nichts gesagt«, meinte sie.
»Wenn eine Hand von der Sonne
gebräunt wird, ist sie bronzefarben; oder vielleicht gelb ?« half ich ihr auf die Sprünge. »Wenn es aber gar keine Sonnenbräune war, dann
vielleicht ihre eigentliche Hautfarbe ?«
»Sie meinen...« Sharon starrte
mich einen Augenblick an, mit der typischen Jetzt- dämmert’s -mir-Miene...
»Miss Smith ist Chinesin ?«
»Wenn ja, dann ärgert mich
daran am meisten, daß Edwin Slater vielleicht doch recht hatte«, knurrte ich.
»Uns blüht wirklich ein Abenteuer, und vielleicht müssen wir die Weinkrüge
sogar stehlen. Und« — ich seufzte tief — »wenn der zweite Brief, den er bekam,
am Ende doch bedeutet, daß die Rotchinesen ihre Antiquitäten wiederhaben wollen
und Miss Smith ihre Agentin ist, dann hat Slater abermals recht: Ich muß mir
die Kanone umschnallen.«
Sharon hörte auf, an ihrem
Drink zu nippen — und leerte das Glas in einem Zug. »Sie glauben doch nicht
etwa, daß Miss Smith einen weiteren Versuch unternehmen könnte ?«
»Wenn Sie mich fragen — die Wahrscheinlichkeit
dafür ist sehr groß«, sagte ich ernst. »Um sicherzugehen, dürfen wir uns auf
keinerlei Risiko einlassen .«
»Ich fürchte, Sie haben recht .« Sie nagte einen Augenblick an der gutentwickelten
Unterlippe. »Vielleicht sollte ich die Nacht in einem Hotel verbringen ?«
»Auch das ist schon ein Risiko
— wenn diese Smith nur halb so raffiniert ist, wie sie sich anhört .« Ich schüttelte langsam den Kopf.
»Nein, es gibt nur einen Weg,
Ihre Sicherheit für diese Nacht zu gewährleisten, Sharon .«
»Und der wäre ?«
»Wenn Sie hierbleiben«, sagte
ich leichthin, »kann ich Sie die ganze Zeit im Auge behalten .«
»In beiden Augen, nicht wahr ?« Sie lachte leise, aber irgendwie klang es viel
unangenehmer, als wenn sie laut herausgeplatzt wäre. »Sie sind schlau, Danny —
und ein Wüstling obendrein .«
»Ich habe einzig und allein an
Ihr Wohl gedacht .«
»Und daran, wie ich mich auf
einem Farbfoto in einem Herrenmagazin ausnehmen würde?« Sie stand auf;
irgendwie hatte sie etwas Würdevolles an sich, wie sie jetzt den Crêpe glattstrich.
»Vielen Dank für Ihre Sorge um mich, Mr. Boyd, aber ich ziehe es doch vor,
allein im Hotel gewisse Risiken einzugehen — statt die ganze Nacht mit einem
besorgten Wüstling zu verbringen.«
»Sie ahnen ja nicht, was Ihnen
entgeht«, jammerte ich.
»Das weiß ich haargenau«,
fauchte sie. »Und eben deshalb fahre ich jetzt in ein Hotel .«
4
Es war Spätherbst, als wir New
York verließen, aber als wir in London ankamen, war vom Herbst kaum mehr etwas
zu sehen. Wobei ich erläuternd hinzufügen muß, daß es dort nicht nur während
der Nacht dunkel war, sondern auch am Tag. Zugegeben, so eine Art Zwielicht
stahl sich gelegentlich durch die Wolken, zwischen neun Uhr morgens und etwa
zwei Uhr nachmittags. Aber dann verschwand es, und gegen vier war’s schon
wieder dunkel. Ich hatte immer geglaubt, nur Einsiedler führten so ein
Höhlendasein, und es war völlig neu für mich, daß auch die Engländer das taten.
Sharon O’Byrne hatte uns
benachbarte Zimmer in einem neuen amerikanischen Hotel der Park Lane
reservieren lassen. Es war ein wirklich schicker Laden, so schick, daß man
offenbar zwei Herzöge als Türsteher engagiert hatte. Sharon sagte zwar, alle
vornehmen Londoner Hotels zögen ihre Portiers so historisch an, aber trotzdem
ging es mir auf die Nerven, mir ständig von einem Mensch in Zylinder und
Jagdkostüm die Tür aufhalten zu lassen. Es machte mich schon deshalb nervös,
weil ich mich unwillkürlich fragte, ob sie mir vielleicht zum nächsten
Frühstück Fuchs in Aspik servieren würden.
Am Tag nach unserer Ankunft
nahmen wir den Lunch im Dachgartenrestaurant, von wo aus man sonst einen
herrlichen Blick auf London genießen konnte — diesmal freilich nicht, weil der
Nebel alles verschluckt hatte.
»Ich komme mir schon vor wie
ein Tourist«, vertraute ich Sharon an. »Mit seltsam fremden Zungen wird hier
gesprochen — was, zum Teufel, ist beispielsweise ein threepenny -bit ?«
»Eine achteckige Münze, etwa so
viel wert wie fünf Cent«, antwortete sie geduldig. »Die größte Münze ist hier
eine half- crown , etwas mehr wert als ein
Vierteldollar .«
»Ei je!« Ich war beeindruckt.
»Und wieviel Ecken hat die ?« Sie widmete mir einen mitleidigen Blick. »Sie ist rund. Ich nehme an, Sie sind
zum erstenmal in London, Danny ?«
»Wie haben Sie das nur erraten ?«
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