Mord ist kein Metier für Mädchen

Mantel mit dem Biberkragen war fast nicht von dieser Welt.
Das höfliche Lächeln verblaßte einen Sekundenbruchteil, nachdem er mich erkannt
hatte, und dafür fiel sein Unterkiefer ein paar Zentimeter hinunter.
    »Hallo, Dean«, sagte ich, als
ob’s die größte Freude meines Lebens sei. »Hast du mal wieder auf ein paar gute
alte Freunde geschossen ?«
     
     
     

5
     
    Es schien mir eine gute
Gelegenheit, ihm eine zu verpassen, solange er derart den Mund aufsperrte — und
ich verfuhr dementsprechend. Dann trat ich beiseite, um ihn in die Diele fallen
zu lassen. Ich schlug die Tür zu, hievte ihn hoch und nahm den .38er aus seiner
Schulterhalfter unter dem Mantel, bugsierte ihn ins Wohnzimmer und schubste ihn
auf die Couch.
    »Sie sind der erste nette
Mensch, den ich in London treffe, mein Lieber«, versicherte ich ihm. »Man fühlt
sich schon fast wieder wie zu Hause .«
    Deans Gesicht verriet, daß ihm
das Leben in diesem Augenblick keinen rechten Spaß machte.
    »Nun?« Ich beugte mich vor und
bohrte den Lauf des . 38ers in seinen Magen. »Was führt Sie nach
London — und zu Ludwig Renz, alter Freund ?«
    Er machte eine unfeine
Bemerkung hinsichtlich meiner Wißbegierde und was ich
ihm bedeutete, aber ich ging nicht darauf ein, weil’s sowohl geistig wie
physisch im Augenblick überaus lächerlich und paradox erschien. Statt dessen bohrte ich noch einmal, diesmal mit mehr
Nachdruck. Dean brüllte auf und schoß in die Höhe, und in seinen Augen
verdrängte Angst die Wut.
    »Sie kennen mich doch, nicht
wahr ?« sagte ich leutselig. »Es macht mir gar nichts
aus, Hackfleisch aus Ihnen zu machen, und da ich im Augenblick einen guten
Grund dafür sehe, hätte ich sogar Lust dazu .«
    »Wie, zum Teufel, kommen Sie
hierher, Boyd ?« murmelte er.
    »Man soll nie Fragen mit Fragen
beantworten, das gehört sich nicht .« Ich unterstrich
die Lektion mit einem weiteren Bohren. »Und nun geht mir wirklich die Geduld
aus, Dean .«
    »All right«, sagte er. »Es war
wieder diese Miss Smith. Sie hat durch unseren Mittelsmann ein weiteres Treffen
verabreden lassen, am Tag, nachdem wir in Ihrem Apartment waren. Ich und
Lonny...«
    »Wie geht’s Lonny ?« fragte ich teilnahmsvoll.
    »Gut. Die Kugel saß nur im
Fleisch, und sobald sie raus war, spürte er nichts mehr. Er wird noch zwei oder
drei Wochen eine lahme Schulter haben, das ist alles .«
    »Also — Sie und Lonny haben
Miss Smith wiedergesehen ?« Ich brachte ihn zum
Hauptthema zurück.
    »Sie sagte, sie wolle noch mal
ein Auge zudrücken .« Er zog eine Grimasse. »Eine
wirklich reizende Dame. Sie erzählte, daß sie nach London fliege und uns hier
brauchen könne. Dann zog sie wieder zwei Mille aus der Handtasche und warf sie
auf den Tisch .« Er zuckte die Schultern, erkannte
seinen Fehler zu spät und piepste vor Schmerz. »Wir hatten ja nichts zu
verlieren...«
    »Zu welchem Zweck wollte sie
euch hier haben ?«
    »Das hat sie nicht gesagt. Sie
hieß uns in ein Hotel ziehen, die Anschrift hat sie uns gegeben, und dann sagte
sie, sie würde es uns wissen lassen, sobald sie uns brauche. Wir sind gestern abend hier angekommen, und vor einer Stunde hat sie im Hotel
angerufen. Lonny sollte sie irgendwo in einer Bar treffen, und ich sollte
hierher fahren .«
    »Was tun ?«
    »Diesen Renz kennenlernen .« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Sie
sagte, er hätte einen starken Mann bei sich, einen Kerl namens Ballard, aber
die beiden würden nicht mit mir rechnen, und deshalb könnte ich leicht mit
ihnen fertig werden. Ich sollte den Schlägertyp bearbeiten ,
sagte sie, und dafür sorgen, daß Renz es sich gut ansehen konnte. Und dann
sollte ich ihm auftragen, England binnen 24 Stunden zu verlassen — andernfalls
seien er und seine Freundin das nächste Mal an der Reihe .«
    »Und weiter ?« erkundigte ich mich.
    »Danach sollte ich wieder ins
Hotel zurückfahren und warten, bis ich wieder von ihr hörte .«
    »Was
ist das für ein Hotel ?«
    »So ein Schuppen — Privatpension
nennt sich der Laden — in der Lancaster Gate«, knurrte Dean. »Einen Vorteil
hat’s aber, glaube ich — jeder kümmert sich dort nur um sich selbst .«
    »Okay«, sagte ich
unternehmungslustig, »dann wollen wir beide mal hinfahren und auf Nachricht von
Miss Smith warten .«
    »Was?« Er bekam Froschaugen.
»Sie können doch nicht...«
    »Was kann ich nicht ?« Ich spielte anzüglich mit dem .38er, und er ließ die
Schultern hängen.
    Ich stellte Dean auf die Beine,
und