Mord ist kein Metier für Mädchen

ihrer Existenz, bis schließlich jemand den
Diebstahl meldete .«
    »Wer kann denn sonst die Briefe
geschrieben haben ?« fragte ich folgerichtig.
    Knurrend hievte er sich aus dem
Sessel und ging zur Tür. »Es dauert nur einen Augenblick«, entschuldigte er
sich und bellte: »Laura !«
    Das brünette Mädchen kehrte
zurück, schloß die Tür und lehnte sich dagegen, die Arme über der prachtvollen
Oberweite verschränkt. »Was gibt’s, Bruderherz ?« fragte sie geduldig.
    »Ich habe Danny gerade
berichtet, was ich in Paris von Renz erfuhr«, sagte er. »Ich dachte, du
solltest ihm auch erzählen, was du bei Slater in New York herausgefunden hast .«
    »All right .« Sie zuckte die Schultern. »Miss O’Byrne befaßt sich gerade mit ihrem dritten
Kognak — ich glaube, sie merkt überhaupt nicht, daß ich weg bin .«
    Dann berichtete sie, und ich
hörte aufmerksam zu, freilich, ohne etwas Neues zu hören. Offensichtlich hatte
Sharon Slater brühwarm aufgetischt, wie die beiden Gangster uns aus meiner
Wohnung hatten entführen wollen — und er hatte Laura Donavan die ganze
Geschichte weitererzählt.
    »Wirklich toll, Danny«, sagte
ihr Bruder, als sie fertig war. »Sie müssen schon ein Mordskerl sein, wenn Sie
mit diesen beiden Strolchen so umgesprungen sind .«
    »Das waren kleine Fische«,
sagte ich bescheiden.
    »Ich glaube schon .« Er widmete mir wieder dieses spöttische Lächeln. »Zumal
das Ganze ja ausschließlich für Miss O’Byrne inszeniert war, hm ?«
    »Was?« Ich starrte ihn an.
    »Laura, bist du so nett ?« Er leerte den Humpen, warf ihn ihr zu, und sie fing ihn
geschickt auf. »Würdest du ihn wieder füllen? Und bei dieser Gelegenheit
könntest du auch unseren anderen Gast hereinbitten, ja ?«
    »Dein Wunsch ist mir Befehl .« Ihr Mund verzog sich spöttisch. »Aber eins muß ich dir
sagen, Bruderherz: Wenn du so weitertrinkst, hast du in fünf Jahren den
dicksten Bauch von London .«
    »Wen stört das ?« Er strahlte sie an. »Du könntest übrigens auch Danny
einen neuen Drink mitbringen, wenn du schon dabei bist .«
    Als sie draußen war, wedelte er
mit der Zigarre in meine Richtung, als sei sie ein Zauberstab. »Sie müssen die
Sache einmal aus meiner Sicht betrachten, Danny. Hier sitze ich und warte
darauf, meinen wertvollsten Besitz an den Höchstbietenden zu verkaufen, aber
ein Steigerer nach dem anderen wird mir vergrault. Also muß ich mit meinem
alten Kopf mal nachdenken und versuchen, den Grund herauszufinden, nicht ?«
    »Die rechtmäßigen Besitzer, die
jede Opposition ausschalten wollen ?« riet ich.
    »Ein Ablenkungsmanöver,
einfallsreich, aber absurd«, sagte er kühl. »Nein, Danny, die einzig logische
Antwort — und es überrascht mich, daß Sie nicht von selbst darauf kommen — ist
doch, daß einer der vier Interessenten sich sagte, er werde die Weinkrüge gewiß
weitaus billiger bekommen, wenn er die Konkurrenz vorher ausschalte .«
    »Wollen Sie damit sagen, einer
der vier von Ihnen angeschriebenen Kunstfreunde beschloß, die anderen
einzuschüchtern, damit er einen ihm genehmen Preis für die Krüge durchsetzen
kann ?«
    »Was denn sonst, alter Junge?«
    »Und denken Sie an einen
bestimmten ?« fragte ich.
    »Aber sicher.« Er kicherte
wieder. »Wenn man systematisch vorgeht, dann wären zunächst Rodriguez und Duplein von der Liste zu streichen — denn sie sind ja
bereits ausgestiegen. Mithin bleibt mir nur die Wahl zwischen Renz und Slater,
und, offen gesagt, bis dato war ich mir über sie nicht im klaren .«
    »Und was ist passiert, daß Sie
sich jetzt klarwerden konnten ?« erkundigte ich mich.
    »Das werden Sie gleich sehen,
mein Lieber .« Er griff sich in die Bartkoteletten und
zerrte heftig daran. »Aber ich möchte, daß Sie es sozusagen aus berufenem Munde
erfahren...«
    Es klopfte an der Tür, und er
grinste bösartig. »Wie das klappt, nicht wahr? Herein!«
    Die Tür ging auf, und Paul
Ballard kam ins Zimmer, gefolgt von Laura, die auf einem Tablett die von ihrem
Bruder bestellten Getränke brachte. Ich wurde mit einem Male nervös — nämlich,
als ich den bösen Blick in Pauls Augen gewahrte.
    »Ich glaube, Sie kennen sich
schon ?« sagte Donavan höflich. Er sah Ballard an. »Ich
habe Danny gerade erzählt, daß ich mir nicht recht im klaren war, ob Renz oder
Slater — aber dann ist heute am frühen Abend etwas passiert, was mich von allen
Zweifeln befreite.«
    »Na und ?« knurrte Ballard.
    »Ich habe ihm noch nicht
gesagt, was es war .« Donavan