Mord ist kein Metier für Mädchen

Eindruck, daß wir uns über Wasser
befänden — und zwar, als wir mitten durch einen surrenden Schwarm Motorräder
über eine Brücke brausten. Wahrscheinlich war es die Themse. Aber gleich danach
rasten wir in falscher Richtung durch eine Einbahnstraße, und ich hatte genug
zu tun, mich festzuhalten, so daß ich jedes Interesse für die Umgebung verlor.
In der Stadt war der Nebel praktisch verschwunden gewesen, aber als wir die
Vororte hinter uns gelassen hatten, wurde er wieder dichter. Schließlich
schienen wir durch den Vorspann eines Gruselfilms zu fahren — nichts war zu
sehen als der Nebel und gelegentlich die gespenstische Silhouette eines kahlen
Chausseebaums. Mit kreischenden Reifen bogen wir rechts auf einen unbefestigten
Fahrweg ein, über den wir etwa eine halbe Meile weiterholperten; dann endlich
hielt der Wagen vor einem matten Lichtschimmer.
    »Da wären wir«, erklärte Laura
Donavan gut gelaunt. »Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, aber bei
diesem Wetter muß man eben vorsichtiger fahren. Der Nebel, wissen Sie...«
    Wir stiegen aus und tasteten
uns durch die Waschküche zum Haus. Sharon zitterte noch, als wir schon in der
wohlig warmen Diele standen, und nach ihrem Gesicht zu urteilen, saß ihr Lauras
Fahrweise genauso tief in den Gliedern wie mir. Laura Donavan führte uns ins
Wohnzimmer, das hell, modern und unpersönlich möbliert war; ein künstlicher
Scheiterhaufen im Kamin glühte elektrisch.
    »Machen Sie sich selbst etwas
zu trinken, bitte ?« Laura wies auf die gutsortierte
Bar in einer Zimmerecke. »Ich sage Bill Bescheid, daß Sie da sind .«
    Sie eilte leicht und beschwingt
hinaus, wobei sie mir — in diesen Stiefeln und der schwarzen Montur — wie ein
weiblicher Colonel aus einem Agentenfilm vorkam. Ich begab mich dankbaren
Herzens zur Bar, besann mich aber schnell auf meine Erziehung und fragte erst
Sharon, was sie haben wollte.
    »Kognak.« Sie fiel matt in den
nächsten Sessel. »Danny, es ist mir egal, ob es vielleicht eine Woche dauert —
aber ich laufe zurück zum Hotel. Dieser verhinderten Rennfahrerin würde ich
mich keine hundert Meter mehr anvertrauen...« Sie zitterte plötzlich wieder und
hörte erst damit auf, als sie das Glas Kognak geleert hatte, das ich ihr gab.
    »Ah!« Sie holte tief Luft. »So
ist es schon besser. Ich...«
    »Mr. Boyd?«
    Ich bückte auf und sah Laura
Donavan in der offenen Tür stehen. »Hätten Sie einen Moment Zeit ?« Sie lächelte flüchtig zu Sharon hinüber. »Es dauert
wirklich nur einen Augenblick, meine Liebe. Bill hat da ein Problem, und er
glaubt, daß Mr. Boyd ihm dabei helfen kann. Wir sind alle gleich wieder hier —
schneller, als sie ausgetrunken haben .«
    »Natürlich.« Sharon lächelte
nervös und umklammerte ihr Glas mit beiden Händen. »Meinetwegen brauchen Sie
sich nicht zu beeilen. Ich kann mir ja immer noch mal nachgießen — oder auch
zweimal .«
    Das brünette Mädchen führte
mich durch den Flur zu einem Zimmer an seinem äußersten Ende. Es war klein und
gemütlich, eine richtige Bude — mit Ledersesseln und einer Serie von
Hogarth-Drucken ringsum. Der Mensch, der in einem Sessel saß, in der rechten
Hand einen Bierkrug, in der linken eine riesige, torpedoförmige Zigarre, war
wohl Donavan.
    Er war Anfang Vierzig, ein
großer, schwerer Kerl, der langsam Speck anzusetzen begann. Die kurzen Ärmel
des schwarzen Trikothemds gaben den Blick auf muskulöse und dicht behaarte
Unterarme frei, der Gürtel seiner schwarzen Hose war fest über den Bierbauch
geschnallt. Eine Glatze fraß sich zur Mitte des Schädels, und wohl als
Ausgleich dazu hatte er sich dichte Bartkoteletten wachsen lassen. Geziert von
einer langen Hakennase und beherrscht von eiskalten grauen Augen, erweckte sein
Gesicht den Eindruck, daß man hier einen zwar echten, aber nicht unbedingt
gerechten Engländer vor sich habe, möglicherweise der Liaison eines britischen
Seeräubers mit Lucrezia Borgia entstammend.
    »Mr. Boyd«, sagte seine
Schwester höflich. »Dies ist mein Bruder Bill .«
    »Setzen Sie sich .« Er schwenkte den Humpen in Richtung eines leeren
Ledersessels. »Ihr Name ist Danny, nicht wahr ?« Im
ersten Augenblick klang sein Baß freundlich und gelangweilt, aber wenn man
genauer hinhörte, tönte Tatkraft und absolute Autorität durch.
    »Danny, stimmt .« Ich setzte mich und brannte mir eine Zigarette an. »Sie
sind Bill, und Ihre Schwester heißt Laura. Mithin sind wir praktisch eine große
Familie .«
    »Ich brauche