Mord mit Schnucke: Heidekrimi (German Edition)
allerdings keinen besonderen Eindruck machte.
Der Rechtsmediziner hingegen, ein erfahrener Mann von ruhigem Auftreten, war mit Hanna gleich einer Meinung gewesen.
»Bei einem solch gezielten Schuss können wir einen Jagdunfall nahezu ausschließen. Trotzdem kann einer der Jäger der Mörder sein.«
»Weil er ein ausgezeichneter Schütze ist.«
»So ist es, Frau Petersen. Aber das herauszufinden, ist Ihre Aufgabe. Genauso gut kann es irgendjemand sein, der einfach verdammt gut schießen kann. Ich melde mich, wenn ich etwas für Sie habe.«
Inzwischen war die Leiche auf dem Weg in die Gerichtsmedizin, und Hanna hatte entschieden, nicht direkt zu Fallerslebens Haus aufzubrechen.
Sollte die Jagdgesellschaft ruhig noch eine Weile schmoren. Hanna brauchte wenigstens eine Stunde Zeit an ihrem Schreibtisch, um sich zu sammeln, sich Notizen zu machen und ihre nächsten Schritte zu planen. Sollte sie Fallersleben zuerst vernehmen? Oder vorher die Einheimischen, einen nach dem anderen? Oder als Erstes die Gäste aus Hamburg? Nun, das würde sich finden.
Als Hanna an den Weiden von Bauer Löhme vorbeikam, fuhr sie langsamer und bremste dann. Da war es wieder, dieses merkwürdige Pferd, das ihr schon vor ein paar Tagen auf dem Weg zum abgebrannten Schafstall aufgefallen war. Inmitten der Schwarzbunten stand es schmutzig auf krummen Beinen da und sah Hanna direkt an.
Ach, Quatsch!
Sie schaute genauer hin. Doch! Das Pferd sah ihr in die Augen.
Sie hätte sofort weiterfahren sollen. Es gab wahrhaftig Dringenderes, als mit einem Gaul freundliche Blicke zu wechseln. Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund – sie selbst hätte nicht sagen können, warum – rührte sich Hanna nicht.
Soweit sie es unter dem Dreck erkennen konnte, war das Pferd ein Schimmel. Sein Fell wies faustgroße Löcher auf, der Kopf wirkte auf Hanna krumm wie ein Sarazenendolch, und der ganze Körper hatte eine seltsame rechteckige Form. Ja, es war so ziemlich der hässlichste Vertreter seiner Rasse, den Hanna je gesehen hatte. Die Klappergäule von Kutscher Heinz-Otto waren dagegen temperamentvolle Schönheiten.
Heinz-Otto.
Ein Gedanke schoss Hanna durch den Kopf, zu schnell, als dass sie ihn zu fassen gekriegt hätte.
Der alte Kutscher. Was war es nur, das ihr zu schaffen machte? Grübelnd rieb sie sich die Schläfen. Sie kam einfach nicht darauf, ahnte nur, dass es wichtig war.
Okay. Sie musste dringend an ihren Schreibtisch und nachdenken.
Hanna kannte Kollegen, die einen Spaziergang machten, wenn sie einen verzwickten Fall lösen mussten, und andere, die nur im Team zu wichtigen Erkenntnissen gelangten. Sie selbst war da anders. Allein im Büro sein, ohne jemanden, der sie störte – genau das war es, was sie jetzt brauchte.
Während Hanna sich noch fragte, warum sie nicht endlich weiterfuhr, setzte sich das Pferd, ohne sie aus den Augen zu lassen, ganz langsam auf die Hinterbacken.
»Genau«, murmelte Hanna. »Du hast vollkommen recht, mein Freund. Hinsetzen und zur Ruhe kommen.«
Dann schüttelte sie heftig den Kopf, lachte über sich selbst und ein bisschen über das seltsame Pferd, sprang in ihren Wagen und fuhr nach Hasellöhne hinein.
Kaum saß sie an ihrem Schreibtisch, ertönte der Bayerische Defiliermarsch.
Mist! Den blöden Klingelton hatte sie vollkommen vergessen.
Bitte nicht Hendrik, dachte sie noch. Ihr Herz war vorübergehend abgeschaltet. Ein Exfreund am Telefon wäre das Letzte gewesen, das sie in dieser Stimmung hätte brauchen können.
Zum Glück fand sie die richtige Taste schneller als vorhin in Luises Garten.
»Petersen!«, meldete sie sich scharf.
»Chefin, wo bleiben Sie denn?«, fragte Westermann. Er klang nervös.
»Was ist los?«
Sie hörte, wie er tief Luft holte. »Hier sind langsam alle stinksauer. Der Graf am meisten. Die Hamburger wollen heimfahren, und die Hasellöhner machen mir sowieso die Hölle heiß. Alle schimpfen auf Sie, und auf mich inzwischen auch.«
Letzteres schien ihm besonders zu schaffen zu machen. Mit Anfeindungen konnte er wohl nicht so gut umgehen.
Hanna blieb ruhig. »Die Herrschaften werden sich noch ein wenig gedulden müssen.«
Westermann stieß einen Fluch aus.
»Wo sind Sie jetzt, Chefin?«
»Auf der Wache.«
»Was? Wieso das denn?«
»Geht Sie nichts an. Ich komme sobald ich kann. Geben Sie mir eine Wegbeschreibung. Ich nehme an, ich muss von dort aus, wo die Autos der Jagdgesellschaft geparkt sind, um den Wald herumfahren.«
»So einfach ist das nicht. Schalten
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