Mord nach Drehbuch
werden. Das Mädchen (ich meine Honey!) hat die Absicht, ein langes ereignisreiches Leben zu führen.
Wie wichtig ist die Rolle der Stadt Bath in Ihren Büchern? Hat Ihnen das Touristenbüro von Bath schon einen Orden verliehen, weil Sie so viel Werbung für Bath machen, Verbrechen hin, Verbrechen her? Gibt es schon Honey-Driver-Führungen?
Bath ist eine Stadt mit vielen verschiedenen Gesichtern. Vom Gehirnchirurgen bis zum bärtigen Radler ist alles vertreten. Es ist eine Stadt, die vor Geschichte nur so aus den Nähten platzt, eine Stätte des Weltkulturerbes. Außerdem gibt es wenige Städte, die man tatsächlich so
geplant
hat, dass sie ästhetisch höchst erfreulich sind.
Was das Touristenbüro von Bath angeht, mit denen muss ich wohl mal ein Wörtchen reden. Und Führungen? Ich schlage vor, dass nächstes Mal vielleicht ein Stadtplan vorn im Buch abgedruckt wird …
Leseprobe aus
Rosa Cerrato
Der Fluch vom Valle della Luna
Nelly Rossos dritter Fall
Ein Fluch scheint auf der Genueser Familie Pisu zu liegen: Ein Todesfall jagt den anderen, »natürlich« ist keiner davon und auf dem Grab taucht jedes Mal ein rätselhafter Kranz auf mit den Initialen O. M. –
ogu malu
, der Böse Blick. Keiner dieser vorgeblichen Unfälle wird zur Anzeige gebracht, denn die Pisu sind sardischer Abstammung, und dort wäscht man seine schmutzige Wäsche zu Hause, nicht auf der Piazza und schon gar nicht vor der Polizei. Wider Willen wird Kommissarin Nelly Rosso dennoch in die Affäre verwickelt, als ihre Freundin Sandra, eine Cousine der Pisu, sie nach dem zweiten Todesfall um Hilfe bittet und sie ins Haus der Pisu zum Tee einlädt. Bald blättert die glänzende Fassade der Upper-Class-Familie, und zum Vorschein kommen Missgunst und Zwietracht. Jedes der Kinder des alten Giacomo Pisu, der in den sechziger Jahren fluchtartig sein Dorf Luras in Sardinien verließ, um nie wieder dorthin zurückzukehren, hätte ein Motiv, seinen Geschwistern an den Kragen zu wollen …
Kapitel V
Da sind sie, Sandras Verwandte. In einem Sekundenbruchteil registriert Nelly die Szene: grauer Marmorkamin an einer Wand, Louis-Philippe-Möbel, riesiges Sofa, vier Sessel, alles mit abgenutztem Originalgobelin bezogen. Vor dem Sofa ein grünes Marmortischchen. Auf dem Boden alte Teppiche, teils fadenscheinig und restaurierungsbedürftig, aber sehr wertvoll. Eine Wand wird von einem wunderschönen Kelim eingenommen. Antike Porzellanvasen und düstere Bilder in ebenso dunklen Rahmen vervollständigen die Einrichtung. In der Luft ein leichter Geruch nach Moder, nach geschlossenen Räumen, nach … Niedergang? Die anwesenden Personen, eben noch ins Gespräch vertieft, wenden sich zur Tür und starren Sandra und Nelly schweigend an.
Auf dem Sofa sitzt Cousine Marilena, die plastische Chirurgin, in einem grauen Seidenkostüm, das dunkle, mahagonirot schimmernde Haar perfekt frisiert. Sie ist runder als Sandra, hat ebenfalls braune Augen und braune Haut und ein breites Gesicht, das mit dem Alter dick zu werden droht. Daneben steht, an eine grüne Marmorsäule gelehnt und in einer Haltung, die an die sepiafarbenen Aufnahmen der letzten Jahrhundertwende erinnert, der Künstler der Familie, der berühmte Regisseur Alceo Pisu. Er ist mittelgroß und dunkel, doch seine wilde Mähne ist inzwischen recht graumeliert. Mit einem dannunzianisch gelangweilten Gesichtsausdruck hebt er verächtlich eine Braue, und das ist der einzige Funke Leben in dieser vollkommen reglos scheinenden Szenerie. Auf einem Sessel sitzt Alice Pisu, die Witwe, mit dem gleichen weggetretenen Gesichtsausdruck wie bei der Beerdigung. Neben ihr steht der Sohn Giancarlo. In einemweiteren Sessel sitzt die Tochter Serena, die traurigen Augen ins Leere gerichtet.
Als wäre die Klappe eines Regisseurs gefallen, kommt plötzlich Leben in das gerade noch unbewegte Bild. Es ist Sandra, die den Zauber bricht:
»Meine Lieben, das ist meine Freundin Nelly Rosso, Kommissarin bei der Genueser Polizei. Komm, Nelly, ich stelle dir meine Cousins vor.«
Doch weiter kommt sie mit der Bekanntmachung nicht. Der Mann neben der Marmorsäule, den Nelly als den Regisseur erkannt hat, macht eine ungehaltene Handbewegung, wie um eine Fliege zu verscheuchen, und verzieht den Mund, als hätte sich das Zimmer durch ihr Auftauchen mit einem üblen Gestank gefüllt.
»Ich verstehe einfach nicht, was für einen Scheiß du dir da in den Kopf gesetzt hast, Sa. Was hat deine Freundin mit Anselmos Tod zu tun? Die
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