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Mord nach Drehbuch

Mord nach Drehbuch

Titel: Mord nach Drehbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hat. Vielleicht hätte sie besser zu Hause bleiben und Schubladen aufräumen sollen, eine Sache, die sie hasst und so gut wie nie tut. Pflichtschuldig und mit noch immer abwesendem Blick drückt Alice ihre schluchzende Tochter an sich.
    »Mein Mann war ein anständiger Mensch. Niemand kann etwas gegen ihn gehabt haben, er war ein redlicher Mann.«
    Alceo schnauft und zündet sich eine Zigarette an.
    »Der übliche Schwachsinn. Hin und wieder macht sich ein Mann Feinde. Und ein Anwalt erst recht. Redlich – was für ein Quark. Du weißt ganz genau, dass dein Mann einnervtötender Kotzbrocken war, noch unerträglicher als ich. Damit will ich aber nicht sagen, dass jemand mit ihm abgerechnet hat.« Mit einer ungehaltenen Geste hindert er Sandra daran, ihn zu unterbrechen. »Doch dieses Gegreine vom toten Papa geht mir auf die Eier. Nur weil einer stirbt, wird er deshalb nicht zum besseren Menschen, oder? Im Gegenteil, er fängt an zu stinken.« Der berühmte Regisseur feixt in die verstörte Runde. Es ist offensichtlich, dass diese Auftritte zum Repertoire gehören und er es genießt, seine Umwelt zu schocken oder zumindest vor den Kopf zu stoßen. Nelly fällt auf, dass sie gar keine Fragen zu stellen braucht, die Antworten kommen von ganz allein. Diesmal fühlt sich Giancarlo, der Sohn des Verstorbenen, dazu berufen, einzuschreiten. Um das väterliche Andenken zu schützen? Weit gefehlt.
    »Ich bin ganz deiner Meinung, Onkel. Papa wusste, wie man sich Feinde macht.«
Oh-oh, jetzt wird’s interessant.
»Und in mancher Hinsicht war er ein richtiges Schwein.« Die Schwester springt auf, stürzt sich erbittert auf ihn, doch er packt sie nur hämisch grinsend bei den Handgelenken. »Er hat sogar die beste Freundin unserer lieben Serena gebumst. Ach komm, das wusstest du doch, hör auf, die untröstliche Tochter zu spielen, oder wär’s dir lieber gewesen, er hätte dich rangenommen? Du weißt ganz genau, dass er mir die Freundin ausgespannt hat, deine alte Busenfreundin Gioia. Ja, genau so war’s.« Er blickt triumphierend in die Runde, weil er es geschafft hat, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und seinem Onkel die Show zu stehlen. »Er hat meine Mutter unglücklich gemacht, sie in ein mit Psychopharmaka vollgestopftes Wrack verwandelt, und ich soll sagen, er sei ein redlicher Mann gewesen, nur weil er mir den Gefallen getan hat, ins Gras zu beißen? Ach, leckt mich doch alle am Arsch!«
    In der Stille, die der Szene folgt, betritt Maria Grazia mit einem Tablett in der Hand den Raum. Sie stellt alles auf dem grünen Marmortisch ab und verteilt mit anmutigen Bewegungen die bestickten Servietten. Wer möchte Tee? Wer Kaffee? Wie viel Zucker? Nelly ist von ihren unglaublichschönen Händen fasziniert, den langen Fingern und perfekt geformten Nägeln. Sie füllt eine Tasse nach der anderen mit duftender schwarzer oder goldschimmernder Flüssigkeit, tut auf Verlangen Zucker hinein und reicht sie den Anwesenden, ohne dass ein einziger Tropfen auf dem wertvollen Teppich landet. Die anderen wirken völlig ausgepumpt. Niemand spricht, jeder ist froh über die Waffenruhe und konzentriert sich auf seine Tasse. Nelly steht auf, tritt an eines der vier hohen, dunkel gerahmten Fenster und wirft einen Blick hinaus. Sie schiebt den Vorhang zur Seite, der das Licht ausgesperrt hat. Ein Balkon flankiert den Saal auf ganzer Länge. Nelly öffnet die Tür und schlüpft hinaus, um die klare Luft zu atmen. Sandra gesellt sich zu ihr.
    »Entschuldige, Nelly. Hätte ich das geahnt …«
    »Lass gut sein, Sa. Ist ja nicht deine Schuld, und der Tee ist ausgezeichnet. Zeigst du mir den Rest der Wohnung?«
    Nelly geht hinein und stellt die Tasse zurück aufs Tablett. Maria Grazia trinkt im Stehen, neben der Tür, wie eine Angestellte. Sandra winkt sie heran.
    »Magraja, Nelly würde gern die Wohnung sehen, wärst du so nett?«
    »Aber natürlich, kommt, hier entlang.«
    Nelly bemerkt, wie schlank sie ist und wie behände sie sich bewegt, wie jemand, der körperliche Arbeit gewöhnt ist, trotz der krummen Schultern und des ausweichenden Blicks. Sie laufen den endlosen Flur entlang, Maria Grazia öffnet die Türen zu zahllosen Zimmern: Bibliothek, Papas Arbeitszimmer, Anselmos Arbeitszimmer, Alceos Zimmer, Bad, noch ein Bad, dann biegen sie in einen abzweigenden Korridor und erreichen nach ein paar fensterlosen Räumen die Küche.
O Gott, was ist das denn?
Die Küche ist riesig. Die Möbel stammen aus den Sechzigern oder Siebzigern. Nur der

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