Mord nach Drehbuch
als Candy aufstand, um Honey die Hand zu schütteln. Sie war mindestens einen Meter achtzig groß und hatte die Figur einer Barbie-Puppe – viel zu schlank und androgyn, um ein echtes menschliches Wesen zu sein.
Ihre Manieren waren reizend und höflich. Ihre Stimme klang süß wie Zucker.
»Zoë hat mir alles über Sie erzählt. Bitte setzen Sie sich doch. Fühlen Sie sich wie zu Hause.« Die Stimme quietschte ein bisschen – irgendwas zwischen einer Kinderstimme und einem Gummientchen.
»Zu Hause«, das war ein sehr exklusives Appartement. Alles war elegant und glänzend – weißer Teppich, weiße Möbel und rosa Accessoires, die nicht so recht zu der minimalistischen Einrichtung und der indirekten Beleuchtung passen wollten. Kissen aus rosa-weiß kariertem Stoff und rosa Plüschhasen lagen überall auf dem Sofa und den Sesseln verstreut. Weiße Tischlampen mit rosa Schirmen standen auf Glastischen. Es sah ein bisschen aus, wie sich ein Erwachsener ein Kinderzimmer vorstellt: sehr seltsam, aber sehr kostspielig. Honey fragte sich, wie viel diese Wohnung wohl kosten mochte und ob Candy sie gekauft oder nur gemietet hatte.
Candy fragte Zoë, ob sie auch bleiben könnte. Zoë erwiderte, sie hätte zu tun.
Honey war sich völlig sicher, worin diese Arbeit bestand.
Zoë warf ihr einen Blick zu. »Kein Geschäft. Wäsche.«
Sie blieb an der Tür stehen, als sei ihr plötzlich ein Gedanke gekommen.
»Ich wollte noch sagen …« Sie hielt inne. »Ach, egal. Candy wird sich gut um Sie kümmern.« Sie zwinkerte. »Das kann sie gut, genau wie wir alle.«
»Ach, Mist!«, sagte Candy, steckte den Daumen in den Mund und machte auf neckisch.
Als sie allein waren, schob Candy Honey eine große Schachtel mit teurem Konfekt zu, die auf dem Glastisch vor dem Sofa stand.
»Bedienen Sie sich.«
Ehe Honey die Chance hatte, sich etwas zu nehmen, hatte Candy schon mit zuckrig rosa lackierten Fingernägeln eine Süßigkeit gepackt und sich in den Mund gesteckt.
Als Honey die schlanke Figur betrachtete und feststellte, dass auf dem wunderschön geschminkten Gesicht nicht die geringste Spur von Schuldbewusstsein zu sehen war, überlegte sie, dass dieses Zeug wohl nicht allzu viele Kalorien haben konnte. Was konnte schon ein kleines Stückchen Gelee und Zucker an einer schmalen Taille verderben? Es würde nicht gleich Pölsterchen auf ihre Hüften zaubern. Außerdem brauchte sie jetzt die Energie.
Sie umriss kurz, warum sie gekommen war. »Ich habe gehört, dass Sie mir etwas zu Perdita Moody sagen können?«
Candy nickte und warf noch eine kleine Auswahl an Konfekt aus der halbleeren Schachtel ein.
»Wenn Sie meinen, ob ich sie gekannt habe, dann ist die Antwort ja. Sie hatte ’ne Weile ziemlich zu kämpfen. Ich hab sie hier bei mir pennen lassen.«
Candys Wortwahl und Akzent waren nicht gerade aus der obersten Schublade, aber irgendwie schien das nichts zu machen. Honey begriff, warum sie den Männern so gefiel. Sie sah aus wie eine etwas zu groß geratene Barbie-Puppe und benahm sich auch so. Aber das war nicht alles. Hinter der gekünstelten Oberfläche waren ihre Freundlichkeit und Nettigkeit zu spüren. Es war Candys zweite Natur, es anderen Menschen gemütlich zu machen. Außerdem war sie bildhübsch, eine süße Rosenknospe, die nur darauf wartete, gepflücktzu werden. Und Honey nahm an, dass diese Knospe ziemlich regelmäßig gepflückt wurde.
»Man hat mir gesagt, dass sie Arbeit gesucht hat.«
Ein weiterer kleiner Geleewürfel in Rosa und Pistaziengrün verschwand in Candys Schmollmündchen.
Unbeirrt kauend nickte sie. »Sie hat mich gefragt, ob es in meiner Branche irgendwelche freien Jobs gab. Sie dachte, ich wäre Schauspielerin.« Candy quietschte vor Lachen. »Das bin ich wahrscheinlich auch. Irgendwie.« Sie warf den Kopf in den Nacken, und nun gurgelte ein kehliges Lachen in ihr hoch. »Sie hat es sich anders überlegt, nachdem ich ihr erklärt hatte, was ich mache. Die Art Schauspielerei, an die sie gedacht hatte, war ziemlich ernst und fand sicherlich nicht leicht bekleidet statt.«
Honey runzelte nachdenklich die Stirn. Sie hatte angenommen, dass Candy im gleichen Gewerbe arbeitete wie Zoë. Hatte sie da falsch gelegen? Vielleicht war Candy die Art von Schauspielerin, deren Filme für das allerspäteste Nachtprogramm reserviert waren – oder überhaupt nicht fürs öffentliche Programm. Aber sie konnte doch nicht einfach geradeheraus fragen!
»Also«, sagte sie langsam, »arbeiten Sie und Zoë in
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