Mord Nach Maß
leicht zu durchschauen. Wollte er mir auf seine ganz spezielle Art Unbehagen einjagen, mir suggerieren, dass man mich öffentlich als Glücksritter brandmarken würde? Er sagte zu Ellie: »Ich habe einige Papiere mitgebracht, die wir miteinander durchgehen müssen, Ellie. Ich werde für viele dieser Formalitäten deine Unterschrift brauchen.«
»Ja, natürlich, Onkel Andrew. Mir passt es jederzeit.«
»Jederzeit, sehr richtig. Es eilt keineswegs. Ich habe noch andere Dinge in London zu erledigen und werde etwa zehn Tage hier bleiben.«
Zehn Tage, dachte ich. Das war eine lange Zeit. Mir wäre es fast lieber gewesen, Lippincott hätte sich nicht zehn Tage hier aufgehalten. Obwohl er sich mir gegenüber freundlich genug gab, als ob er andeuten wollte, dass er sich in gewissen Punkten ein endgültiges Urteil noch vorbehalte; ich fragte mich in diesem Augenblick, ob er mir tatsächlich feindlich gesinnt war. Wenn, dann wäre er kaum der Mann gewesen, seine Karten aufzudecken.
»Also gut«, fuhr er fort, »nun haben wir uns alle kennengelernt und eine gemeinsame Basis gefunden, was die Zukunft angeht; und jetzt möchte ich mich gern kurz mit deinem Angetrauten da unterhalten.«
Ellie war immer noch in Harnisch. »Du kannst mit uns beiden sprechen.«
Ich legte ihr die Hand auf den Arm. »Nun sträub mal nicht gleich das Gefieder, du bist keine Glucke, die ihre Jungen verteidigen muss.« Ich dirigierte sie sanft zu der Tapetentür, die ins Schlafzimmer führte. »Onkel Andrew will mir Maß nehmen«, sagte ich. »Das ist sein gutes Recht.«
Sanft schob ich sie durch die Doppeltür, schloss die Flügel und kehrte in das Zimmer zurück. Lippincott gegenüber ließ ich mich nieder. »Also dann kann’s losgehen.«
»Vielen Dank, Michael. Zuallererst möchte ich Ihnen versichern, dass ich nicht und in keiner Weise Ihr Feind bin, wie Sie vielleicht glauben mögen.«
»Nun«, meinte ich, »das freut mich zu hören.« Es klang aber nicht allzu überzeugt.
»Lassen Sie mich offen sprechen«, begann Lippincott, »und zwar offener, als ich es vor diesem liebenswerten Kind gekonnt hätte, dessen Vormund ich bin und das ich sehr gern habe. Sie mögen es noch nicht ganz ermessen können, Michael, aber Ellie ist ein außergewöhnlich reizender und liebenswerter Mensch.«
»Nur keine Angst, ich bin ganz schön verliebt.«
»Das ist nicht unbedingt dasselbe«, sagte Lippincott in seiner trockenen Art. »Ich hoffe, dass Sie nicht nur in sie verliebt sind, sondern es auch zu würdigen wissen, was für ein zauberhaftes, aber auf gewisse Weise sehr verwundbares Wesen sie ist.«
»Ich werde mir Mühe geben«, meinte ich. »Und das sollte mir nicht allzu schwerfallen. Ellie ist absolute Spitze, unbedingt.«
»Dann will ich also fortfahren mit dem, was ich zu sagen habe. Und zwar mit äußerster Offenheit. Sie sind nicht der Typ des jungen Mannes, den ich Ellie gewünscht hätte. Ich – und ebenso ihre Familie – hätte es gern gesehen, dass sie jemand aus ihrer Welt, aus ihrer eigenen Schicht…«
»Einen feinen Pinkel, mit anderen Worten«, unterbrach ich ihn.
»Nein, nicht nur das. Meiner Ansicht nach ist eine gleichgeartete Herkunft unbedingt wünschenswert als Basis für eine Ehe. Und ich meine das nicht snobistisch. Schließlich hat ihr Großvater Herman Guteman als Dockarbeiter angefangen. Aber er starb als einer der reichsten Männer Amerikas.«
»Wer sagt denn, dass ich es nicht genauso machen werde? Vielleicht wird aus mir einer der reichsten Männer Englands.«
»Möglich ist alles«, meinte Lippincott. »Geht Ihr Ehrgeiz in diese Richtung?«
»Es kommt mir nicht nur aufs Geld an. Ich würde gern… ich möchte gern vorankommen, etwas leisten und…« Ich zögerte und schwieg.
»Sie sind also ehrgeizig, wollen wir es so ausdrücken? Na ja, das ist ein sehr positiver Zug, unbedingt.«
»Ich fange dabei gegen den Wind an«, sagte ich, »und zwar am Nullpunkt. Ich bin nichts und niemand, und das will ich auch gar nicht verbergen.«
Er nickte. »Das war sehr offen und wohl gesprochen. Ich weiß es zu schätzen. Also, Michael, ich bin zwar mit Ellie nicht verwandt, aber ich habe als ihr Vormund fungiert, bin von ihrem Großvater als Treuhänder ihres Vermögens eingesetzt, ich verwalte ihren Besitz und beaufsichtige ihre Investitionen. Deshalb beanspruche ich für dergleichen eine gewisse Verantwortung und wüsste gern alles über den Mann, den sie sich gewählt hat, was es da nur zu wissen gibt.«
»Sie können ja
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