Mord Nach Maß
sind umgekommen, der eine in Korea, der andere bei einem Verkehrsunfall. Geblieben sind ihr eine ziemlich lädierte Stiefmutter, das Anhängsel Onkel Frank, ihr Vetter Reuben – er ist ihr Vetter, obwohl sie ihn ›Onkel‹ nennt – und Andrew Lippincott sowie Stanford Lloyd.«
»Wer ist denn das schon wieder, Stanford Lloyd?«, fragte ich verwirrt.
»Oh, noch so ein Treuhandverwalter, nicht wahr, Ellie? Jedenfalls handhabt er ihre Investitionen und so weiter. Das kann im Grunde keine sonderlich schwierige Aufgabe sein bei einem Vermögen dieser Größenordnung; wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Diese fünf sind die eigentliche Suite«, fuhr Greta fort, »und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass Sie sie bald alle kennenlernen werden. Sie werden bald eintreffen, um Sie unter die Lupe zu nehmen.«
Ich stöhnte auf und warf Ellie einen beredten Blick zu.
»Mach dir nichts draus, sie werden auch wieder abziehen«, tröstete mich Ellie sehr sanft und lieb.
12
U nd wie sie alle kamen! Doch blieb keiner sonderlich lange, nicht diesmal, nicht beim ersten Besuch. Sie wollten mich nur in Augenschein nehmen. Ich fand es etwas schwer, mich mit ihnen zu verständigen, denn sie waren alle Amerikaner, und zwar von einem Typus, den ich nicht sonderlich gut kannte. Einige von ihnen waren recht annehmbar, wie zum Beispiel Onkel Frank. Was ihn betraf, so gab ich Greta völlig Recht. Ihm hätte ich keinen Hosenknopf anvertraut. Menschen seiner Art waren mir auch in England schon begegnet: ein großer schwerer Mann mit Bauchansatz und Tränensäcken, die dem Gesicht etwas Verlebtes gaben, was wohl auch den Tatsachen entsprach. Er hatte ein gutes Auge für Frauen und ein noch besseres für seinen Vorteil. Ein- oder zweimal lieh er sich Geld von mir, keine großen Summen, nur ein Taschengeld für die nächsten ein, zwei Tage. Mir kam die Idee, dass es ihm nicht so sehr um das Geld ging wie um mich; er wollte mich testen, ob ich leicht anzupumpen war. Es machte mich etwas nervös, weil ich nicht die rechte Einstellung dazu fand. Wäre es besser gewesen, ihn schlankweg abblitzen zu lassen, oder hätte ich den Großzügigen und Gedankenlosen spielen sollen, obwohl mir doch nichts ferner lag? Ach, hol der Teufel Onkel Frank, dachte ich.
Am meisten interessierte mich Cora, Ellies Stiefmutter. Sie war eine Frau von etwa vierzig, gut erhalten, mit gefärbtem Haar und ziemlich überschwenglichem Gehabe. Zu Ellie war sie die Liebenswürdigkeit selbst.
»Sei mir nicht bös über diese Briefe, Ellie«, flötete sie. »Du musst immerhin zugeben, es war ein fürchterlicher Schock für uns, diese überstürzte Heirat. Und so heimlich. Aber ich weiß natürlich, dass nur Greta dahintersteckt; sie hat dir das alles eingeflüstert.«
»Schieb nicht alles auf Greta«, sagte Ellie. »Ich wollte euch nur nicht so aufregen. Ich dachte mir, wenn… Na ja, je weniger Theater…«
»Aber sicher, Ellie, da hast du nicht so Unrecht. Die Männer waren alle wie vor den Kopf geschlagen, Stanford Lloyd und Andrew Lippincott vor allem. Vermutlich glaubten sie, dass jetzt alle ihnen die Schuld geben würden, weil sie nicht besser auf dich aufgepasst hätten. Natürlich hatte keiner eine Ahnung, wie charmant Michael ist. Ich auch nicht.«
Sie schenkte mir ein Lächeln, das süßeste und verlogenste Lächeln, das ich je gesehen hatte. Wie sie mich hassen musste! Dass sie Ellie so zuckersüß behandelte, war nur zu verständlich: Andrew Lippincott war inzwischen in die Staaten zurückgeflogen und hatte ihr zweifellos ein paar warnende Worte zukommen lassen.
Ellie verkaufte einige Vermögenswerte in Amerika, weil sie sich ein für allemal in England niederlassen wollte, aber sie traf großzügige Vorkehrungen für Cora, sodass diese ihren Aufenthalt nehmen konnte, wo es ihr beliebte. Coras Mann wurde kaum erwähnt. Ich schloss daraus, dass er sich bereits in einen anderen Teil der Welt abgesetzt hatte, und zwar zu zweit. Aller Wahrscheinlichkeit nach hing wieder eine Scheidung in der Luft, und in dieser steckte, was den Unterhalt betraf, für Cora nicht viel drin. Sie hatte einen viel jüngeren Mann geheiratet, dessen Stärke mehr auf physischem als auf finanziellem Gebiet lag.
Cora war auf Ellies Zuwendungen also angewiesen. Sie war eine Frau von extravaganter Lebensführung. Zweifellos hatte der alte Lippincott ihr bedeutet, dass diese Geldquelle jederzeit wieder versiegen konnte, je nach Ellies Gutdünken, falls Cora sich so weit vergaß, Ellies
Weitere Kostenlose Bücher