Mord Nach Maß
Eindruck machte, dass er sie mochte und ihr gefallen wollte. In mir verstärkte das den Eindruck, dass Santonix wirklich ein gefährlicher Charakter war, mit vielen Untiefen, von denen ich keine Ahnung hatte.
Greta verfehlte nie, auf Bewunderung zu reagieren. Jetzt zeigte sie sich von ihrer besten Seite. Sie war eine Frau, die ihre Schönheit an- und abstellen konnte, und heute wirkte sie so anziehend, wie ich es an ihr noch nicht erlebt hatte. Lächelnd hörte sie Santonix zu, hing gebannt an seinen Lippen. Ich fragte mich, was er mit dieser Taktik beabsichtigte. Bei Santonix wusste man das nie. Ellie wollte ihn gern noch einige Tage dabehalten und sagte das auch, aber er schüttelte den Kopf. Morgen müsse er aufbrechen, meinte er.
»Sind Sie so beschäftigt? Bauen Sie wieder ein neues Projekt?«
Nein, antwortete er, er sei gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden.
»Sie haben mich wieder einmal überholt«, ergänzte er. »Aber es war wahrscheinlich das letzte Mal.«
»Überholt? Was machen sie denn mit Ihnen?«
»Sie zapfen mir mein krankes Blut ab und pumpen mir frisches ein, gesundes rotes Blut.«
»Oh, wie schrecklich«, flüsterte Ellie.
»Nur keine Angst«, beruhigte Santonix sie. »Sie brauchen so etwas nie zu befürchten.«
»Wenn man doch nur gefeit wäre«, seufzte Ellie.
»Wieso, wovor fürchten Sie sich?«
»Ach, diese Drohungen nehmen mich doch ziemlich mit«, sagte Ellie. »Ich lasse mich nicht gern verfluchen.«
»Sie sprechen von Ihrer Zigeunerin?«
»Ja.«
»Denken Sie nicht mehr daran«, sagte Santonix, »wenigstens heute abend nicht mehr. Heute soll nichts unser Glück trüben. Ellie – auf Ihre Gesundheit und ein langes Leben, und für mich auf ein schnelles und schmerzloses Ende – auf Mikes Glück, und…« Er verstummte, das Glas zu Greta erhoben.
»Ja?«, fragte Greta. »Und für mich?«
»Auf das, was Ihnen gebührt. Erfolg vielleicht?« Er sagte es mit ironischem Unterton.
Am nächsten Morgen reiste er sehr früh ab.
»Ein seltsamer Mensch«, meinte Ellie. »Ich hab ihn nie ganz verstanden.«
»Mir ist auch das meiste an ihm schleierhaft«, stimmte ich zu.
»Aber er weiß eine Menge.«
»Meinst du, was die Zukunft betrifft?«
»Nein, das nicht. Er durchschaut die Leute. Wir haben schon einmal davon gesprochen. Er kennt einen besser, als man sich selber kennt. Manchmal hasst er die Leute dann dafür, manchmal bemitleidet er sie. Mich bemitleidet er aber nicht«, fügte sie nachdenklich hinzu.
»Warum sollte er auch?«
»Ach, nur so.«
16
A ls ich am folgenden Nachmittag einen Spaziergang in den Wald machte, wo er am dichtesten und dunkelsten war, sah ich plötzlich vor mir auf dem Weg eine hoch gewachsene Frauengestalt. Unwillkürlich machte ich einen Schritt zur Seite. Ich hatte natürlich sofort an unsere Zigeunerin gedacht, aber dann erkannte ich die Frau und blieb abrupt stehen. Es war meine Mutter. Da stand sie und sah mir unter ihrem grauen Haar finster entgegen.
»Meine Güte, Mutter, du hast mich aber erschreckt. Was willst du denn? Uns endlich besuchen kommen? Wir haben dich ja oft genug eingeladen, oder?«
Das stimmte nicht ganz. Ich hatte ihr eine einzige, lauwarme Einladung geschickt, mehr nicht; außerdem hatte ich sie in eine Form gekleidet, die sie, wie ich genau wusste, zu einer Absage bewegen musste. Ich wollte sie nicht hier haben.
»Richtig«, antwortete sie, »jetzt komme ich euch doch besuchen. Will nur mal sehen, ob auch alles in Ordnung ist bei euch. Also das ist das großartige Haus, das ihr euch gebaut habt? Wirklich prächtig«, sagte sie und spähte mir über die Schulter.
Ich hörte ihrem Ton die scharfe Missbilligung an, die ich erwartet hatte. »Zu prächtig für meinesgleichen, was?«
»Das hab ich nicht gesagt, Junge.«
»Aber gemeint.«
»Jedenfalls bist du nicht zu diesem Leben geboren worden. Es tut nicht gut, wenn man seinen Platz nicht kennt.«
»Wenn man auf dich hören wollte, brächte man es nie zu etwas.«
»Ja, ich weiß, das war schon immer dein Standpunkt, aber ich weiß auch, dass Ehrgeiz keinen Segen bringt.«
»Um Gottes willen, Mutter, hör jetzt auf zu unken und komm«, sagte ich. »Komm und schau dir unser großartiges Haus aus der Nähe an, dann kannst du immer noch die Nase rümpfen. Und über meine großartige Frau, wenn du’s dann noch wagst.«
»Deine Frau? Die kenne ich schon.«
»Was heißt, du kennst sie schon?«
»Also hat sie dir nichts davon erzählt,
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