Mord ohne Leiche
erklärt? Mußte sie ihm
nicht schon in der Nacht auf der Heimfahrt vom Club sagen, wer den Volvo jetzt
benutzte?
Ich dachte über die Beziehung der
beiden Sorianos zueinander nach. Ich hatte sie einmal zusammen erlebt, und da
schienen sie in verschiedenen Welten zu leben. Sie plapperte in einem fort, er
hörte kaum zu. Falls das die normale Form ihrer Unterhaltung war, dürfte es für
sie kein Problem gewesen sein, ihm einzureden, er habe etwas mißverstanden, und
sie habe den Wagen tatsächlich an Fox verliehen.
In Ordnung, dachte ich, jetzt kann man
also mit Sicherheit annehmen, daß Kathy zur Komplizin wurde. Sie half Jay, die
angebliche Entführung zu inszenieren. Und es waren auch zwei Personen
erforderlich, um den Volvo vom Cottage in die einsame Schlucht in den Santa
Cruz Mountains zu fahren. Als die Polizei sich dann später ernsthaft auf Bobby
Foster konzentrierte, sorgte sie dafür, daß ihr das Notizbuch für seine
Examensvorbereitung in die Hände gespielt wurde. Dieses Notizbuch hatten sie
und Jay außerdem als Vorlage für den Erpresserbrief benutzt. Nachdem ich Tracys
sterbliche Überreste entdeckt hatte, vertauschte Jay ihre zahnärztlichen
Unterlagen mit denen der verängstigten jungen Frau, der Kathy Geld gegeben
hatte, damit sie die Stadt für immer verließ. Sie rechneten zweifellos damit,
daß dann, wenn die Leiche nicht positiv identifiziert werden konnte, die
Verurteilung Fosters bestehenbleiben würde.
Ich hatte sogar eine Idee zu ›Tracys‹
Anrufen bei Laura. Als ich Kathy zum erstenmal begegnete, hat sie die Pointe
aus der Nummer von der wild gewordenen Feministin wiedergegeben und dabei
Tracys Stimme nachgeahmt. Als ich mir später das Videoband ansah, war mir die
Pointe bekannt vorgekommen, weil Kathy sie so gut nachgemacht hatte.
Alles zusammen — die vertauschten
Zahnarztunterlagen, die Anrufe, das Buch über die Schaffung einer neuen
Identität, das irgendwie in die Wohnung an der Upper Market geschmuggelt worden
war — sollte bewirken, daß Tracys Überreste niemals zuverlässig identifiziert
werden konnten.
Soweit war das schon ein mehr oder
weniger logisches Szenario. Nur konnte ich es nicht akzeptieren. Nicht beim
gegenwärtigen Stand der Dinge.
Das Problem war das Motiv. Ich konnte
mir einfach nicht vorstellen, daß Larkey — so wütend er auch gewesen sein
mochte — mit dem Vorsatz zum Cottage hinausgefahren war, Tracy zu töten. Ich
konnte mir nicht vorstellen, daß er ein ganzes Raster entworfen haben sollte,
das auf Bobby Foster paßte, einen jungen Mann, den zu mögen er vorgab, und noch
weniger, daß er schweigend zusah, wie Bobby seinem Tod entgegenging. Nicht, daß
ich Larkey solcher Taten nicht für fähig gehalten hätte: Ich hatte längst
gelernt, daß die meisten Menschen zu allem fähig waren, wenn sie nur einen
ausreichenden Grund dazu sahen. Aber wenn Larkey solche Dinge getan hatte, dann
hätte er ein weitaus zwingenderes Motiv haben müssen als bloße Wut. Es hätte
weit mehr auf dem Spiel stehen müssen als nur sein männlicher Stolz.
Zerstreut starrte ich auf mein
Spiegelbild in der schwarzen Fensterscheibe des Flugzeugs. Das helle Licht in
der Kabine ließ mich erschöpft und krank aussehen, und meine Gedanken verliehen
mir obendrein einen besorgten und frustrierten Gesichtsausdruck. Schnell sah
ich wieder weg.
Was genau hatte Tracy ihrer Mutter bei
ihrem letzten Freitagslunch gesagt? Einmal die Sache über den guten Menschen,
der sie nun nicht mehr war. Aber daneben auch noch etwas anderes. Etwas über
eine Unterlassungssünde. Das zusammen mit dem, was sie in Jane Steins Times -Ausgabe
entdeckt hatte, konnte mir vielleicht einen Hinweis auf dieses Motiv liefern.
Aber wo, zum Teufel, konnte ich zu dieser Nachtstunde in San Francisco noch
eine Ausgabe dieser Zeitung aus Los Angeles in die Finger bekommen? Vielleicht
hatte ich doch einen Fehler gemacht, nicht über Nacht in L. A. zu bleiben —
Das Bordpersonal schob sich durch die
Gänge und sammelte Tassen und Becher ein. Ich trank meinen Drink aus, reichte
den Plastikbecher zurück und klappte den Abstelltisch vorschriftsgemäß hoch.
Die nächsten Telefonzellen fand ich in
der Halle. Ich rief bei All Souls an. Jack war nicht da. Rae sprach auf einer
anderen Leitung. Ich wartete ungeduldig und klopfte mit den Fingern auf die
Aluminiumablage. Als sie sich schließlich meldete, sagte sie: »Shar, Gott sei
Dank, daß du zurück bist. Hier ist eine Frau auf der anderen Leitung, die dich
sprechen
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