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Mord unter den Linden (German Edition)

Mord unter den Linden (German Edition)

Titel: Mord unter den Linden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Pieper
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auf!«, schrie er. »Sie ist
keine Hure. Sie ist nicht so wie du. Sie ist meine letzte Verbindung.«
    Jetzt steigerte
sich die Stimme zu einem schrillen Crescendo.
    »Nein!«, rief
Vitell und schüttelte wild den Kopf. »Nein! … Das kann ich nicht! … Wieso?
… Du verdammte … Ich werde dir …« Speichel schäumte auf seinen Lippen,
auf seiner Stirn traten dicke Adern hervor, er schnappte nach Luft und ruderte
hilflos mit den Armen. Schließlich schlug er der Länge nach hin. Sein Körper
zuckte mehrmals, dann blieb er reglos liegen.
    Wenig später kam
er zu sich und spürte sofort, dass sich etwas verändert hatte. Sein Atem kroch
mit eisiger Kälte seine Luftröhre hinunter, und die feuchte, grobkörnige Erde
schmiegte sich an seine Hände, als läge er in einem Grab. Er drückte sich vom
Boden ab und kam auf die Füße. Ohne zu zögern, schlug er den Weg zur Villa ein.
Jetzt war es ihm unbegreiflich, warum er sich so lange gewehrt, warum er so
lange gezögert hatte. Dabei war doch alles ganz klar.
    Rieke liebte Dr.
Sanftleben. Sie hatte ihn verraten.
    Deshalb konnte er
ihr nicht länger vertrauen.
    Sie musste
sterben.

Auf Sandwerder
    Eine Wolke zog
über die Insel und verdeckte den Mond. Alles lag plötzlich in tiefster
Finsternis. Dann kehrte das silberne Flirren des Mondlichts zurück.
    »Unser
Auftraggeber hat gesagt«, meinte der Matrose mit der Pistole, »dass du einen
Teil der Bezahlung gleich mitbringen würdest.«
    »Los, rück den
Zaster raus«, sagte der Kleinere. Otto sah, dass ihm beide Schneidezähne
fehlten.
    Damit konnten nur
die fünfhundert Mark gemeint sein, die Rieke in dem Brief erbeten hatte. Kalt
blickte Otto von einem zum anderen.
    »Wenn es dir
lieber ist, kann ich dir deine Kartoffel auch gleich wegpusten und mich selbst
bedienen«, sagte der Tätowierte.
    »Hört mal«, sagte
Otto und schob die Hand in den Rücken. »Wer –«
    »He, was hast du
vor? Lass die Patschehändchen schön vorn! Keine Fisimatenten, ist das klar?«
    »Schon gut!
Hinten, in meinem Hosenbund, steckt ein Kuvert. Und in dem Kuvert befinden sich
fünfhundert Mark.«
    Langsam zog Otto
den Umschlag hervor und sah, wie ihre Augen gierig funkelten. Plötzlich wurde
er wütend. Auf Vitell, auf diese beiden widerlichen Kerle, die für Geld
offenbar alles taten. Der Jähzorn packte ihn so, dass er dem Kleinen den
Umschlag ins Gesicht schleuderte.
    Der zückte ein
Messer und wollte sich gleich auf ihn stürzen. »Du Scheiß –«
    »Halt«, sagte der
andere und hielt ihn an der Schulter zurück. »Das will er doch nur. Sieh erst
nach, was in dem Umschlag ist.«
    »Wenn du tot bist,
piss ich dir ins Maul«, sagte der Kleine und las das Kuvert vom Boden auf. Mit
fliegenden Fingern zählte er das Geld. »Fünfhundert Mark. Dann blas ihm endlich
die Lampen aus! Seine Fresse macht mich krank.«
    »Sprich ein Gebet,
Kumpel«, sagte der tätowierte Matrose und zielte auf Ottos Kopf.
    »Habt ihr wirklich
geglaubt, dass ich mich von euch abknallen lasse?«, fragte Otto und stieß einen
Pfiff aus. »Seht euch doch mal um!«

In der Bellevuestraße 18
    Mit aller Kraft
wollte Rieke Jewgeni mit dem Stuhlbein auf den Schädel schlagen, doch plötzlich
hielt sie inne. Er würde das Bewusstsein verlieren und hier drinnen verbrennen.
Wäre sie dann eine Mörderin?
    Als hätte er
gespürt, dass sie hinter ihm stand, wirbelte Jewgeni herum und starrte sie aus
seinen blassblauen Babyaugen an. Ein, zwei Sekunden dehnten sich zu einer
Ewigkeit, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Schon hob er seine Pranke
an, um sie im Nacken zu packen.
    Rieke reagierte
blitzschnell. Sie sprang zurück, holte Schwung und hieb ihm den Knüppel mit
aller Wucht zwischen die Beine. Der plötzliche Schmerz trieb dem starken Mann
das Wasser in die Augen, seine Backen blähten sich auf, und die Luft entwich
mit einem Pfeifen. Mit abgehackten Schritten stolperte er näher, seine
ausgestreckten Arme paddelten hilflos durch die Luft. Gleich würde er sie fassen,
doch dann knickten ihm die Beine weg, und er sank wimmernd zu Boden.
    Vor Aufregung
zitterten Rieke die Knie und sie stützte sich am Tisch ab. Sie konnte kaum
fassen, was sie getan hatte. Sollte ihr aberwitziger Plan tatsächlich aufgehen?
Sollte ihr wirklich die Flucht gelingen? Ängstlich wandte sie sich zur Tür. In
diesem Moment krallte sich Jewgenis Hand um ihren Fußknöchel.
    »Lass mich los!«,
schrie Rieke. Panisch versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien, und
ahnte, dass sie zu

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