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Mord unter den Linden (German Edition)

Mord unter den Linden (German Edition)

Titel: Mord unter den Linden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Pieper
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zu können. »Sie würden natürlich auch etwas
dafür bekommen.«
    »Das haben schon
andere probiert. Sie können sich die Mühe sparen.«
    Otto zog zwei
Gegenstände hervor.
    Vitell ließ sich
zu einem gelangweilten Blick herab, doch plötzlich war sein Interesse geweckt.
Er lächelte dünn und streckte die gefesselten Hände aus. »Sie sind wirklich ein
guter Beobachter. Geben Sie her.«
    Otto schob den
Perlmuttkamm und das Fläschchen mit Makassaröl aus seiner Reichweite. »Zuerst
möchte ich Antworten auf meine Fragen, dann bekommen Sie die
Frisierutensilien.«
    Vitell sah ihn
misstrauisch an.
    »Ich bin weder Ihr
Richter noch Ihr Anwalt«, sagte Otto. »Alles, was Sie mir gegenüber äußern,
werde ich nicht gegen Sie verwenden. Ich bin nicht in einer offiziellen
Funktion hier, sondern aus rein privater Neugierde. Ich möchte die Dinge nur
etwas klarer sehen.«
    »Was wollen Sie
denn wissen?«
    »Zuallererst:
Warum haben Sie die politischen Attentate verübt?«
    »Das liegt doch
auf der Hand. Als Unternehmersohn sollten Sie meine Beweggründe nicht nur
verstehen, sondern sogar gutheißen. Die Proletarier sind einfach zu primitiv
und zu einfältig, um Verantwortung zu übernehmen. Sie sind Knechte und keine
Herren. Wenn man ihnen ein politisches Mitspracherecht einräumt, ist das vom
wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen eine Katastrophe.«
    »Geht es auch
etwas konkreter?«
    »Nun, durch die
Nichtverlängerung des Sozialistengesetzes werden sich die Arbeiter schon bald
wieder organisieren und den Unternehmern durch Gewerkschaften, Streiks und ihre
Schmierblätter das Leben schwer machen. Die Morde sollten die Sicherheits-
organe und die Proletarier gegeneinander aufhetzen. Bei einem Bürgerkrieg wäre
dem Parlament gar nichts anderes übrig geblieben, als ein noch schärferes
Sozialistengesetz zu verabschieden und so alle revolutionären Umtriebe
endgültig zu unterdrücken. Und wir, die Unternehmer, hätten uns endlich wieder
auf das Wesentliche konzentrieren können.«
    »Verstehe. Und
warum hatten Sie es auf Kriminaldirigent von Grabow abgesehen?«
    »Er war ein hoher
Repräsentant der Staatsmacht«, erwiderte Vitell. »Und seine Überführung als
brutaler Mörder, der Frauen aus der Unterschicht auf dem Gewissen hatte, war
ideal dazu geeignet, um den Mob gegen die Obrigkeit aufzuhetzen.«
    »Wer hat die
Holzkreuze angefertigt?«, fragte Otto.
    Vitell schüttelte
den Kopf.
    Im Keller seiner
Villa waren neben einem seltsamen Verlies mehrere Balken und Werkzeug gefunden
worden, doch konnte sich Otto nur schwer vorstellen, dass der Kommerzienrat die
Kreuze allein hergestellt hatte. »Wollen Sie Ihren Diener Jewgeni schützen?«
    »Nächste Frage.«
    »Also gut – warum
haben Sie dafür gesorgt, dass ich zu den Ermittlungen hinzugezogen wurde?«
    »Es war kein
Geheimnis, dass Sie und das Kommissariat für Fuhrwesen eine Fehde um die
Radfahrerlaubnis für die Innenstadt austrugen. Kriminaldirigent von Grabow
betrachtete Ihr Verhalten als persönlichen Affront, das hat er mir mehrmals
erzählt. Ihr Gespräch nach dem Vortrag spitzte den Konflikt in wünschenswerter
Weise zu. Seine anmaßende Art sollte Ihnen eine zusätzliche Motivation geben,
ihn zu überführen und schließlich dem hungrigen Mob zum Fraß vorzuwerfen.«
    »Sie haben unseren
Streit geplant?«
    »Ich will es mal
so ausdrücken: Natürlich wusste ich um das hitzige Temperament des
Kriminaldirigenten. Alles andere nahm seinen Lauf.«
    »War das der
einzige Grund?«
    »Keineswegs. Ihre
geplatzte Verlobung war in den besseren gesellschaftlichen Kreisen seinerzeit
lange Gesprächsstoff. Meine Nachforschungen hatten zudem ergeben, dass Sie nach
Ihrer Rückkehr aus Deutsch-Südwestafrika keine Beziehung zu einer Frau hatten,
sodass ich davon ausging, dass in Ihnen ein gewisses Bedürfnis nach einer
Romanze schlummerte. Rieke sollte Sie umgarnen, damit Sie ihr glaubten und so
der Aussage der kleinen Revueschauspielerin mehr Nachdruck und Glaubwürdigkeit
verliehen. Immerhin sollte ein hohes Mitglied des Polizeipräsidiums des Mordes
überführt werden.«
    »Ich verstehe es
noch immer nicht. Sie hätten dafür doch jeden beliebigen Mitarbeiter des
Commissarius auswählen können. Warum haben Sie sich extra die Mühe gemacht,
mich in die Ermittlungen einbinden zu lassen?«
    »Ich habe Ihr Buch
gelesen und war von Ihren Schlussfolgerungen beeindruckt. Als Sportler sollten
Sie wissen, dass der Sieg gegen zweitrangige Gegner fad schmeckt. Erinnern Sie
sich

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