Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
stieß die Männer beiseite, die lüstern die Beine der Artisten betrachteten. Schließlich näherte er sich dem rückwärtigen Teil des Lokals und öffnete die richtige Tür. Die Garderobe war leer. Er hatte es nicht anders erwartet. Sie würde ihn wieder
überraschen und vermutlich irgendwelche Zugeständnisse von ihm verlangen. Aber dieses Mal würde es ihr nicht gelingen.
Vorsichtig öffnete er die Tür des Kleiderschranks. Er betrachtete die Abendkleider, rot, weiß und Goldlamé, und fuhr mit den Fingern über die weiche Federboa. Dann stieß er mit den Zehen ein paar der Schuhe an. Alles sehr raffiniert, genau wie sie. Er. Sie, die sich dafür entschieden hatte, die äußere Ordnung zur stellvertretenden Sicherheit zu machen. Wie gut er sie doch kannte. Ihn. Er dachte an Mama und Grand-Mère, und zog vorsichtig ein Kleid aus blauer Seide hervor. Er konnte sich nicht zurückhalten und vergrub sein Gesicht in dem kühlen Stoff. Die goldenen Sandalen fielen um. Er kniete sich hin, um sie wieder aufzurichten, und als er wieder aufstand, wusste er, dass es ihr gelungen war. Wieder einmal.
Wie lange er das Gesicht in den Händen vergraben auf dem Stuhl gesessen hatte, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er sie so lange wie möglich von sich fernhalten wollte. Als er schließlich glaubte, die Türklinke zu hören, schaute er hoch und sah, dass sie die rote Perücke gewählt hatte. Die, die bis zur Taille reichte.
»Wo warst du?« Ihre Frage war scharf und wütend. Seine Frage.
»Miranda, ich …«
»Ich habe meinen Auftritt verpasst. Ich kann nicht ohne dich auftreten, das weißt du. Sie haben einen dilettantischen Anfänger auftreten lassen, der nicht fähig war, gleichzeitig zu singen und sich zu bewegen. Warum tut man etwas, das man nicht beherrscht?«
»Miranda, es tut mir leid. Aber …«
»Aber was?«
Er versuchte, ihr die Perücke herunterzureißen. Aber sie wehrte sich. Er.
»Es ist aus«, flehte er. »Bitte, Miranda, sei barmherzig. Ich will nicht mehr. Ich habe jemanden kennengelernt. Bei ihr kann ich ich selbst sein. Dort brauche ich mich nicht zu verstellen. Ich sehe endlich eine Möglichkeit, glücklich zu werden. Lass mich doch glücklich werden.«
Verzweifelt und fragend sah er sie an.
»Du weißt also Bescheid?«
Sie lächelte bösartig, und plötzlich fiel ihm der grelle Kontrast von falschem Haar und echter Haut auf.
»Glaubst du wirklich, ich sei so dumm, dass ich nicht wüsste, was du hinter meinem Rücken treibst, Fredrik? Glaubst du, ich wüsste nicht, was du unternimmst? Du warst jetzt dort, nicht wahr? Du hast dich mit jemand anderem verlustiert. Aber vermutlich warst du nicht stark genug, ihr von Michaels neuem Auftrag zu erzählen. Von ihrem Papa.«
Ihm stockte der Atem. Die Luft in der Garderobe war erfüllt von Staub und bleichen Träumen. Die Partikel verklebten die Schleimhäute und Flimmerhärchen, und er fasste sich unwillkürlich an den Hals.
»Wie kannst du nur …?«, zischte er dann.
Miranda lächelte erneut. Ein Schlangenlächeln, wenn es so etwas gab.
»Ich finde, wir sollten jetzt mit dieser Farce aufhören. Ich finde, du solltest ein für alle Mal einsehen, dass ich genau weiß, was du tust. Ich erfahre es immer. Aber vielleicht hattest du ja nicht die Zeit, es mit mir zu besprechen. Schließlich ist es nicht so lange her, dass er mit dir gesprochen hat, oder?«
Er antwortete nicht. Ihm fiel auf, dass Mirandas Miene jetzt etwas versöhnlicher wirkte. Trotzdem blickte er zu Boden, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie war nicht mehr schön. Nur makaber. Er bot einen kläglichen Anblick.
»Fredrik. Schau mich an. Tu nicht, als gäbe es mich nicht. Das hier kannst du nicht alleine entscheiden. Ich bin ebenfalls
betroffen. Wenn wir das Fata Morgana übernehmen, dann können wir unsere Träume schneller verwirklichen, als wir je geahnt haben. Natürlich müssen wir den ganzen billigen Plunder rausreißen, damit das Lokal ein gewisses Niveau bekommt. Aber wenn wir ein bereits etabliertes Lokal übernehmen, dann können wir die gesamte Barschaft darauf verwenden. Außerdem …«
Er sprang auf. Hielt sich die Hände vor die Ohren, obwohl er wusste, dass das Rauschen im Kopf nicht von außen kam.
»Sei still! Sei still, sage ich! Wir werden kein Lokal übernehmen! Wir brauchen auch kein Geld! Wir führen keinen Auftrag aus! Dass Menschen so gestört sein können, zu glauben, sie hätten das Recht zu töten, ist eine Sache. Aber damit haben wir nichts zu
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