Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
umständlich, dass er sich immer schuldig fühlen würde, weil er die Situation falsch eingeschätzt und damit dem Mord, der offenbar verübt worden war, den Boden geebnet hatte.
»Ich ließ mich irreführen«, versuchte er sich selbst zu überzeugen. »Irreführen von dem Fürchterlichen, das sie uns erzählte.
Ich konnte es ihr so nachfühlen … mir ist mein gesunder Menschenverstand gänzlich abhandengekommen … jetzt können wir nur hoffen …«
»Was?« Annas Frage glich einem Schrei. Anschließend brach sie in Tränen aus. Fredrik sprang von seinem Stuhl auf und nahm sie in die Arme, er strich ihr übers Haar und redete ihr beruhigend zu, während Mari nervös mit dem Fuß wippte. Nach einer Weile beruhigte sich Anna so weit, dass sie die Frage stellen konnte, mit welchen Folgen sie nun zu rechnen hatten. Würde die Obduktion irgendwelche Ungereimtheiten zutage fördern? Würde Elsa Karlsten dichthalten? Hatte jemand etwas von ihrem Besuch bei ihnen mitbekommen? Was sollten sie tun, falls sie sie wirklich bezahlte?
Die Erwähnung der Geldzahlung weckte Mari aus ihrer inneren Isolierung. Ihr Bein wippte immer noch, aber ihre Stimme klang ruhig.
»Ich bin ganz deiner Meinung, Fredrik«, meinte sie. »Wir haben die Lage falsch eingeschätzt. Wir haben den Ernst ihrer Ausführungen nicht durchschaut, und wir waren so dumm, zu glauben, dass wir diese Situation alleine bewältigen könnten. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass es Entschuldigungen gibt. Wir hatten alle in den verschiedensten Zusammenhängen mit unterschiedlichsten Menschen zu tun. Wir hatten es nie sonderlich leicht mit unseren Familien, mit der Verwandtschaft, Kollegen. Wir dachten, unsere Erfahrung reicht aus, und wir haben uns geirrt. Jetzt müssen wir das Beste aus der Situation machen.«
Fredrik war erstaunt, dass sie so gefasst klang. Sie legte eine Geistesgegenwart an den Tag, die er ihr, um ehrlich zu sein, nie zugetraut hätte. Er war nervös, als er wieder das Wort ergriff, als könne man alles, was er sagte, gegen ihn verwenden.
»Wenn ich richtig verstanden habe, dann hat Elsa Karlsten ihren Mann mit einem Kissen erwürgt. Ihn im wahrsten Sinne
des Wortes endgültig zum Schweigen gebracht. Darin liegt eine Symbolik, die auffällig ist. Aber es ist nicht die Methode, die mir zu denken gibt, sondern die Frage, ob sie möglicherweise Spuren hinterlassen hat. Hat er sich gewehrt? Hat er Fingerabdrücke hinterlassen? Etwa an Elsas Armen? Werden die Ärzte die Leiche so sorgfältig untersuchen, dass sie Textilfasern in der Luftröhre entdecken?«
»Ich kann das vielleicht herausfinden.« Anna, die immer noch weinte, unternahm einen Versuch, sich zu sammeln. Sie wickelte mechanisch eine Haarsträhne um einen Finger und kümmerte sich dann nicht weiter um den Knoten, der sich gebildet hatte.
»Ich war mit Papa so oft im Krankenhaus, dass ich die Ärzte dort mittlerweile ziemlich gut kenne. Mit einigen von ihnen stehe ich sogar auf so gutem Fuße, dass ich sie problemlos fragen kann, wie die Routinen aussehen, wenn jemand zu Hause stirbt. Im Hinblick auf meinen Vater ist die Frage auch gar nicht so weit hergeholt.«
Fredrik hatte das Gefühl, dass es ihr schwerfiel, dies auszusprechen. Als ob Gott sie für das, was geschehen war, strafen würde, indem er ihren Vater allein sterben ließ, zu Hause, ohne eine wärmende Hand oder beruhigende Stimme in der Nähe. Er versuchte sie abzulenken, indem er sie an das erinnerte, was Elsa Karlsten gesagt hatte, bevor sie gegangen war.
»Elsa wollte Kuchen mitnehmen«, sagte er. »Und sich damit zu Hause in die Küche setzen und essen, dabei ein Buch lesen oder einfach nur aus dem Fenster schauen. Zwei Stunden wollte sie sich gönnen. Hat sie das nicht gesagt? Dass sich alle eine Stunde gönnen können, aber nur diejenigen, die wirklichen Frieden empfinden, zwei Stunden und mehr? Wollte sie nicht der Stille lauschen? Sie sah glücklich aus, als sie das gesagt hat …«
Weder Anna noch Mari erwiderten etwas. Vielleicht dachten
sie beide, dass Elsa Karlsten jetzt frei war. Sie hatte zwar die Tür ihres Käfigs mit einer unzulässig brutalen Methode geöffnet, aber es war ihr geglückt. Jetzt war alles offen, sie hatte Zeit. Zeit für sich, für ihre Kinder und vielleicht auch für ihre Enkel. Für Reisen. Für Geborgenheit und einen ruhigen Nachtschlaf.
Erst als er das gedacht hatte, ging ihm auf, was er, ja, was sie alle von Anfang an hätten vermuten müssen.
»Vielleicht ist er ja wirklich eines
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