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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Ernestam
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vertieft zu sein. Fredrik stocherte mit der Gabel in seinem Essen, ohne aufzuschauen oder sich mit jemandem zu unterhalten.
    »Haben Sie Kinder, Anna?«
    »Ja, ich habe eine Tochter, sie ist zweiundzwanzig. Sie heißt Fanditha, will aber lieber Fanny genannt werden.«
    Martin Danelius lächelte sie an.
    »Das hätte ich nie geglaubt«, meinte er. »Dass Sie schon so
erwachsene Kinder haben. So jung wie Sie aussehen, Fräulein Anna. Fanditha ist ein hübscher Name. Exotisch. Wir hatten uns so viele schöne Namen überlegt für die Kinder, die wir bekommen wollten. Unser Mädchen sollte Marianne heißen. Einen Jungen hätten wir vermutlich Anders getauft.«
    Anna fand plötzlich, dass der Mann neben ihr gar nicht mehr so alltäglich aussah. Sein Gesicht hatte einen seltsamen Glanz, von dem sie nicht wusste, woher er kam. Sie ahnte, dass der Mann neben ihr vollkommen aufrichtig war und keinerlei Verstellung kannte. Er hatte nie gelernt, sich vor seinen Mitmenschen in irgendwelche Rollen zu verstecken. Die Trauer über die Kinderlosigkeit war tief empfunden, aber er hatte sie akzeptiert, weil er daran glaubte, mit dem, was das Leben für ihn bereithielt, zurechtzukommen.
    »Wir haben keine Kinder bekommen«, bestätigte er dann auch ganz richtig. »Wir versuchten es wirklich, aber damals gab es noch nicht so schöne Methoden wie heute. Ich muss zugeben, dass wir uns nicht einmal gründlich untersuchen ließen. Man schämte sich, zum Arzt zu gehen und über etwas so Persönliches zu sprechen. Er hätte uns vielleicht Dinge gefragt, über die wir nicht hätten sprechen wollen. Wir wussten, was wir aneinander hatten, verstehen Sie, Fräulein Anna, und das ging niemanden etwas an, fanden wir. Manchmal denke ich, wir bekamen keine Kinder, damit es hier auf der Welt wenigstens ein bisschen gerecht zugeht. Ich habe nämlich die Vorstellung, dass jedem nur eine bestimmte Portion Glück zugedacht ist. Diese Portion ist aber nicht zu groß, da es schließlich für alle reichen muss.«
    »Das klingt poetisch.«
    »Poetisch? Das hätte Anna hören sollen. Falls einer von uns poetisch veranlagt war, dann war sie das nämlich. Ich war immer erdverbundener. Ich habe im Garten gearbeitet, kannte mich mit Büschen und Bäumen aus. Mit Wurzeln, der Bodenqualität und dem Wetter. Das hat vielleicht auch etwas mit
Poesie zu tun, aber nicht so richtig, finde ich jedenfalls. Anna las aber sehr viel. Sie war Bibliothekarin. Manchmal sagte sie, dass die Bücher eben ihre Kinder sein müssten, wenn wir keine eigenen bekämen. Sie war aber trotzdem kein weltfremder Mensch, sondern die offenste und wissbegierigste Person, der ich je begegnet bin. Wir sind viel gereist, müssen Sie wissen, Fräulein Anna. Da wir keine Verantwortung für Kinder übernehmen mussten, hatten wir die Möglichkeit, die Welt kennenzulernen. Wir wanderten im Gebirge, wohnten in einfachen Hotels, fuhren viel mit der Bahn und hatten immer einen guten Kontakt zu den Einheimischen. Aber wir mussten natürlich auch sehr beweglich sein.«
    Eine Kellnerin räumte die Teller ab und stellte Dessertteller und Kaffeetassen auf den Tisch. Anna sah, dass Mari lachte, es herrschte zwar keine ausgelassene, aber doch eine angenehme Stimmung im Saal. Niemand hatte sich bislang erhoben, um ein paar Worte über Hans Karlsten und sein Leben zu sagen, aber das schien auch niemand zu vermissen. Als hätte sie ihre Gedanken gelesen, schaute Elsa Karlsten einen Augenblick hoch, hob ihr Glas in Annas Richtung und lächelte. Martin Danelius legte ihr seine Hand auf den Arm.
    »Es kam so schleichend«, sagte er, als hätte er erkannt, dass ihm nicht unbegrenzt Zeit zum Erzählen blieb. »Es fing mit kleinen Dingen an. Wir wollten nach Brasilien fahren, und ich hatte Anna gebeten, den Sprachführer zu suchen. Sie erinnerte sich nicht, wo sie ihn hingelegt hatte. Schließlich fanden wir ihn im Regal, dort wo er immer stand. Wir lachten beide darüber. Jetzt werden wir langsam alt, sagten wir. Anna erinnerte mich daran, dass sie im Jahr zuvor fünfundsiebzig Jahre alt geworden war. Fünfundsiebzig, sagte ich und sah sie an. Sie war nämlich immer noch so schön wie am ersten Tag, fand ich. Dasselbe dichte Haar, obwohl es etwas kürzer und etwas grauer war. In meinen Augen immer noch derselbe Körper. Das war es dann, und wir traten unsere Reise an. Wunderbar.
Obwohl es vorkam, dass sich Anna vergaß. Einmal fand sie den Weg zum Hotel nicht zurück, obwohl sie immer einen besseren Orientierungssinn als

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