Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
wissen, wann der Gärtner das Arsen gefunden hat. Wir wissen nicht, wann es verschwunden ist. Der Schuppen war unverschlossen. Jeder hätte hineingehen und es nehmen können.« Er begann an den kraftvollen Fingern Namen abzuzählen.
»Wir wissen, dass Gladstone im Schuppen war. Eine der beiden alten Ladys oben im Haus hätte hineingehen können. Der Tote selbst hätte hineingehen können, das sollten wir ebenfalls nicht vergessen. Dann ist da diese Frau, diese Mrs. Painter vom Landrat. Sie hätte hineingehen können, als sie den Gärtner gesucht hat. Genauso gut wie die beiden anderen Frauen, Juliet Painter und Meredith Mitchell. Das Grundstück hat kein verschließbares Tor. Jeder zufällige Passant hätte es betreten und sich umsehen können, ob es etwas Lohnenswertes zu stehlen gibt.«
»Nun, das engt den verdammten Kreis der Verdächtigen wirklich ein«, sagte Hayes sarkastisch.
»Ja, nicht wahr?« Minchin grinste dünn und lehnte sich mit dem Kopf an die Wand. Seine Blicke gingen über die Einrichtung der Sattelkammer mit den Haltepflöcken.
»Ja«, sagte er leise.
»Für diesen Besitz könnte man morden.« Draußen ertönte das Geräusch scharrender Schritte. Sie wechselten Blicke. Hayes trat seine Zigarette auf dem Boden aus und zermalmte den Stummel mit dem Absatz.
»Wer ist dort?«, fragte eine unsichere, ältere weibliche Stimme.
»Keine Sorge, Ma’am!«, rief Minchin zurück.
»Wir sind von der Polizei.« Die Tür wurde knarrend geöffnet, und Damaris Oakley erschien im Eingang. Sie trug einen der Hüte ihres verstorbenen Vaters, einen vergilbten Panama, und ein altmodisches Kleid aus Leinen mit angesetztem Oberteil. An den Füßen hatte sie abgetragene Baumwollschuhe, die an beiden großen Zehen aufgerissen waren.
»Ich glaube nicht«, sagte sie vorwurfsvoll,»dass ich Sie beide kenne.« Minchin reichte ihr seinen Dienstausweis und stellte sich und den Inspector vor.
»Wir sind aus London hierher ge kommen, Ma’am, um bei der Lösung des Falles zu helfen.«
»O ja, natürlich. Alan hat gesagt, dass Sie kommen würden. Warum sind Sie hier drin?« Damaris hatte den Ausweis sorgfältig studiert und gab ihn nun zurück.
»Ich bin Damaris Oakley.«
»Wir wollten uns lediglich ein wenig umsehen, Miss Oakley.«
»Das haben die anderen Polizisten bereits getan. Unsere Bamforder Polizisten«, erwiderte sie.
»Möchten Sie mit mir oder meiner Schwester sprechen? Meine Schwester hält gerade einen Mittagsschlaf. Für sie ist das alles hier sehr anstrengend.«
»Wir möchten Sie im Augenblick nicht weiter belästigen, Ma’am«, sagte Minchin.
»Einer von uns beiden wird morgen wieder vorbeikommen, wenn wir Gelegenheit hatten, uns mit den Einzelheiten vertraut zu machen. Der Inspector und ich sind heute Morgen erst in Bamford eingetroffen.« Sie starrte die beiden Männer an, und ihre Unsicherheit kehrte zurück.
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte sie,»aber ich weiß wirklich nicht, warum man Sie eigens aus London hergeschickt hat.«
»Das in Frage zu stellen steht uns nicht zu, Ma’am«, erwiderte Minchin in einem Tonfall, der eine Spur zu versöhnlich war. Damaris sah ihm in die Augen.
»Ganz recht. Obwohl ich für meinen Teil hoffe, dass es keine weiteren Toten mehr geben wird.« Die beiden Männer aus London starrten sie verblüfft an.
»Sie rechnen mit weiteren Toten?«, fragte Minchin.
»Nein, selbstverständlich nicht. Ich habe schon nicht mit dem ersten gerechnet. Man rechnet doch nie mit so etwas«, sagte sie schroff.
»Ich habe mich auf das Zitat bezogen, das Sie benutzt haben. Es heißt nämlich ›ihnen‹, und nicht ›uns‹, wie Sie wahrscheinlich wissen werden. ›Dies in Frage zu stellen steht ihnen nicht zu. Sie werden es schaffen oder sterben.‹ Es ist aus Der Angriff der Leichten Brigade. Mein Vater war sehr begeistert von Lord Tennyson.« Sie zögerte und dachte nach.
»Heute sehe ich die Dinge in dieser Dichtung mit ganz anderen Augen als damals, als ich ein Mädchen war und sie gelesen habe. Jemand hätte nach dem Warum fragen sollen, nicht wahr? Ob es ihm nun zusteht oder nicht, meine ich. Wir freuen uns darauf, Sie wiederzusehen, Superintendent.« Sie wandte sich ab und ging.
»Ist sie durchgeknallt oder was?«, fragte Hayes seinen Chef.
»Nein …« Auf dem Gesicht des Superintendents erschien ein anerkennendes Grinsen.
»Sie ist ein gerissener alter Fuchs, jawohl.«
»Glauben Sie, dass sie jemanden ermorden könnte?«
»Was? Oh. Ja, ganz sicher.
Weitere Kostenlose Bücher