Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
trotzig.
»Sie interessiert sich halt dafür.«
»Wie kann jemand nur so besessen von etwas sein, das vor so langer Zeit passiert ist?«, fragte sie und wiederholte unwissentlich Alan Markbys Worte.
»Das spielt doch heute alles längst keine Rolle mehr!« Bevor er eine Antwort darauf geben konnte, schnappte sie:
»Ach, leg dich einfach schlafen.«
»Ich habe bereits geschlafen …«, murmelte Geoffrey aus dem anderen Bett.
Auf der anderen Seite der Stadt schlief Alan Markby tief und fest. Meredith schlüpfte leise aus dem Bett und in ihren Morgenmantel. Unten angekommen, nahm sie Geoffrey Painters Schachtel und trug sie in die Küche. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, das mitten in der Nacht den Kühlschrank ausplündert. Sie setzte sich an den Tisch und entknotete voll aufgeregter Erwartung die Schnur um die Schachtel. Nachdem sie den Deckel abgenommen hatte, fand sie ein Gewirr von Papieren im Innern: fotokopierte Zeitungsausschnitte, Bündel mit Verhandlungsprotokollen, die jemand handschriftlich geführt hatte, und am Boden der Schachtel, zusammengehalten von einem Gummiband, eine Reihe von Notizbüchern, die aussahen wie die, mit denen Reporter herumliefen. Auf dem obersten der Notizbücher stand in der gleichen Handschrift, die auch die Mitschriften verfasst hatte, der Name Stanley Huxtable.
»Was ist denn das?«, murmelte Meredith.
»Geoffrey muss vergessen haben, dass sie hier drinlagen; er hätte sie bestimmt nicht aus der Hand gegeben!« Weitere, jüngere Notizen waren mit Kugelschreiber verfasst – in Geoffreys Handschrift. Meredith breitete alles auf dem Tisch vor sich aus, während sie überlegte, wo sie anfangen sollte.
KAPITEL 5
ES STAND nicht zu erwarten, dass William Oakley die Wiederaufnahme der Ermittlungen bezüglich des Todes seiner Ehefrau begrüßen würde. Inspector Jonathan Wood wanderte langsam die Auffahrt von Fourways House hinauf, während er sinnierte, dass Oakley der Tatsache einer erneuten Befragung wahrscheinlich noch weniger geneigt gegenüberstehen würde.
Neben Wood ging Sergeant Patterson, ein stämmig gebauter Mann mit rötlichem Teint. Wood wusste auch ohne hinzusehen, dass Patterson beeindruckt war von dem Anwesen der Oakleys. Ihm persönlich gefiel der gotische Stil weniger, der ihn sein ganzes Leben hindurch begleitet hatte. Er bevorzugte die alten palladianischen Formen aus den Tagen seiner Großeltern. Sie kamen seinem Gefühl für Gleichgewicht und Geradlinigkeit entgegen. Sieh sich einer dieses Haus an, dachte er widerwillig. Diese spitzwinkligen Fenster passen vielleicht in eine Kirche, aber nicht in ein privates Wohnhaus, und sei es noch so herrschaftlich. Und dieser Witz von einem Turm dort oben – was hatte sich der Architekt nur dabei gedacht?
»Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter«, sagte er unklugerweise laut vor sich hin.
»Verzeihung, Sir?«, fragte Sergeant Patterson vorsichtig.
»Erinnern Sie sich nicht an Die Geschichten der Gebrüder Grimm, Sergeant?«
»Nein, Sir, kann nicht sagen, dass ich das täte.« Patterson legte die Stirn in angestrengte Falten.
»Hänsel und Gretel«, sagte er unsicher. Man konnte eben nicht alles haben. Wood erbarmte sich seines Untergebenen und erzählte ihm, was es mit dem Turm auf sich hatte.
»Oh, das, Sir«, sagte Patterson, und seine Miene hellte sich sichtlich auf.
»Sehr schick, wirklich. Das ganze Haus ist atemberaubend. Sehr schön. Wunderschön, Sir.« Wood war plötzlich verärgert.
»Schön oder nicht, Patterson, wir sind nicht gekommen, um uns an die Stirn zu fassen und mit einem Kratzfuß zu verneigen, haben Sie verstanden? Oakley mag ein Gentleman sein oder nicht – für das Gesetz spielt das keine Rolle.«
»Jawohl, Sir«, sagte Patterson, doch Wood sah ihm an, dass er seine Zweifel hatte. Die Tür wurde von einem Mädchen geöffnet in einer gestärkten Haube mit Bändern und einer so makellos sauberen, glatt gebügelten Schürze, dass sie aussah wie aus Kristallzucker.
»Ja?«, erkundigte sie sich keck. Ein einziger Blick auf die beiden Fremden hatte ihr verraten, dass es keine Gentlemen waren, die dort standen. Ihr Gesichtsausdruck schien zu sagen, dass Wood und sein Begleiter zum Dienstboteneingang hätten gehen sollen. Wood, der spürte, wie verlegen der Sergeant neben ihm wurde, meldete sich laut zu Wort.
»Ich bin Inspector Wood von der Bamford Police Station. Ich bin gekommen, um mit Ihrem Herrn zu sprechen.« Die Magd änderte sofort ihr Verhalten. Sie war
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