Mord Wirft Lange Schatten: Mitchell& Markbys Dreizehnter Fall
seine Unterlagen über den Fall zum Lesen ausgeliehen.«
»Vielleicht«, sagte Winsley.
»Vielleicht aber auch nicht! Sie sagen, der Raum war zum Zeitpunkt dieser Unterhaltung voller Menschen. Wer weiß, wer alles zugehört hat?« Aufgebracht entgegnete Markby:
»Ich glaube nicht, dass der Vikar es getan hat.« Winsleys blutunterlaufene hellblaue Augen durchbohrten Markby.
»Man kann einen Verdächtigen nicht einfach ausschließen, weil er einen klerikalen Kragen trägt. Ich kannte einen Geistlichen bei der Army, der ein Spielsyndikat geleitet hat.«
»Das ist immer noch etwas ganz anderes als Mord«, entgegnete Markby. Winsley mochte keine Opposition, ganz gleich, aus welcher Richtung sie kam. Er hämmerte mit der Faust auf den Schreibtisch.
»Ich habe Sie nicht herbestellt, um mit Ihnen Haare zu spalten, Superintendent!«
»Ganz recht«, erwiderte Markby.
»Deswegen würde ich vorschlagen, wir finden zunächst heraus, woher das Arsen stammt. Dann sind wir schon ein gutes Stück auf der Spur desjenigen, der es Oakley verabreicht hat. Arsen ist heutzutage gar nicht mehr so einfach erhältlich. Wir müssten es zurückverfolgen können.«
»Irgendein Motiv?«, fragte Winsley in herausforderndem Ton. Das war der Teil, den Markby gefürchtet hatte.
»Das ist der komplizierte Teil, Sir. Die beiden Personen mit dem stärksten Motiv, Jan Oakley permanent aus dem Weg zu räumen, sind zweifellos seine Cousinen, zwei Damen im hohen Alter von achtzig und zweiundachtzig Jahren. Ich kenne sie, seit ich lebe, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie es getan haben könnten. Jan hat bei ihnen im Haus gewohnt und mit ihnen zusammen gefrühstückt. Manchmal hat er auch dort zu Mittag gegessen. Sein Abendessen hat er in einem einheimischen Pub eingenommen. Inspector Pearce ist heute Morgen dorthin unterwegs und stellt Ermittlungen an. Das Pub nennt sich The Feathers, ein recht unscheinbares Lokal.« Markby räusperte sich.
»Außerdem war Oakley am Nachmittag vor seinem Tod in meinem Haus zum Tee.«
»Was?« Winsley sah aus, als würde er im nächsten Moment einen Schlaganfall erleiden.
»Was zum Teufel hatte er dort zu suchen?«
»Meredith, meine – die Person, die mit mir im Haus lebt –, sie hat ihn eingeladen. Sie hat gehofft, ihm seine Pläne ausreden und ihn zur Rückkehr nach Polen bewegen zu können. Er hat eine Menge Ärger und Aufregung verursacht.«
»Also war sie auch nicht gerade seine Freundin, wie? Haben Sie sich alle gegen diesen Oakley zusammengerottet? Kein Wunder, dass er sich schikaniert fühlte! Hat irgendjemand auch ein gutes Wort über diesen Burschen zu verlieren?« Markby verneinte diese Frage. Jan hatte nicht die Gabe besessen, sich bei anderen beliebt zu machen. Winsley lehnte sich in seinem Sessel zurück und glättete seinen Schnurrbart, während er nachdachte.
»Sie haben die polnische Botschaft bereits informiert, nehme ich an? Der Mann war schließlich polnischer Staatsbürger.«
»Ja. Sie schicken jemanden aus der Konsularabteilung in London hierher. Ich habe ihnen Oakleys Daten übermittelt und gefragt, ob sie uns behilflich sein und Informationen über Oakleys Hintergrund liefern könnten. Nur für den Fall, dass sein Tod das Resultat von etwas ist, in das er in Polen verwickelt war und das ihn bis hierher verfolgt hat.«
»Richtig!« Winsley wurde ganz aufgeregt und hüpfte auf seinem Sessel auf und ab.
»Einer von diesen osteuropäischen Gangstertypen! Sie machen überall in Europa Schwierigkeiten! Das wäre eine sehr gelegene Erklärung für diesen Fall, und es ist mehr als wahrscheinlich! Diese Typen kommen auch mit Sicherheit leicht an Arsen. Diese Typen kommen an alles heran, was sie wollen!«
»Bisher haben wir allerdings keine Beweise …«, murmelte Markby. Die Blase aus Begeisterung platzte, und Winsley beruhigte sich.
»Es wäre nur so«, sagte er sehnsüchtig,»dass es uns wunderbar in den Kram passen würde. Hören Sie, Markby, normalerweise würde ich Sie als den idealen Mann für diesen Fall betrachten. Wir müssen sehr vorsichtig sein, wann immer es zu internationalen Verwicklungen kommen könnte, wenn wir mit ausländischen Botschaften zu tun haben und so weiter.« Winsley runzelte die Stirn.
»Ist Ihre junge Frau nicht im diplomatischen Dienst?«
»Zurzeit arbeitet sie im Foreign Office in London«, antwortete Markby vorsichtig.
»Ich würde sie auch nicht meine junge Frau nennen. Ich glaube nicht, dass sie das mögen würde.« Winsley
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