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Mord zur Geisterstunde

Mord zur Geisterstunde

Titel: Mord zur Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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der Reichweite ihrer Mutter gebracht hätte. Doch Gloria Cross war heute Morgen in Bestform und bewegte sich rasend schnell, wenn man bedachte, dass sie siebzig war. Wie Schraubzwingen klammerten sich ihre Finger um Honeys Handgelenk. Da sie nicht so groß war wie ihre Tochter, musste sie sich dazu auf die Zehenspitzen stellen. Sie schnaufte empört.
    »Bist du dir da ganz sicher? Ich möchte nicht, dass du in dieser Hinsicht in die Fußstapfen deines Vaters trittst. Bei anderen Leuten gab es Eier zum Frühstück. Bei ihm Whisky und Toast.«
    »Ich habe nur Kaffee und Toast gefrühstückt.« Die Butter und Orangenmarmelade gestand sie lieber nicht. Es zählte nicht, wenn niemand etwas davon wusste.
    Honeys Mutter hatte lange Finger mit rot lackierten Nägeln. Ihr Mördergriff war eisern, eher Wanderfalke als Pensionärin.
    »Mutter, ich muss wirklich weg. Es geht um eine Polizeiuntersuchung. Ich muss bei einer Befragung von Augenzeugen anwesend sein.«
    |92| Honey löste einen der klammernden Finger nach dem anderen, aber sie krallten sich immer wieder fest.
    Ihre Mutter schaute sie mit kugelrunden Augen überrascht an. Endlich ließ sie los. »Ist es ein Mordfall?«
    »Ja.«
    »Ich hoffe, es war ein Verbrechen aus Leidenschaft. Das sind die besten.«
    Gloria Cross las viel, jedoch nur Schnulzen. Wenn sie mit einer Gruppe von Altergenossinnen in eine Leihbibliothek einfiel, konnten die in zwanzig Minuten sämtliche Kitschromane aus den Regalen räumen.
    »Ich glaube nicht, dass es so was war«, antwortete Honey, obwohl sie ehrlicherweise nicht sicher sein konnte. Sie wusste ja bisher kaum etwas über den Fall. Es konnte eine ganze Weile dauern, bis sich das ändern würde.
    »Wirst du auch Fragen stellen?«, wollte ihre Mutter nun wissen.
    »Keine Ahnung. Ich denke, das macht Doherty lieber selbst.«
    »Ihr könntet doch die Nummer mit dem netten und dem fiesen Polizisten abziehen«, schlug Gloria Cross begeistert vor. »Es wäre am besten, wenn du die Fiese sein könntest. Die dürfen immer handgreiflich werden.«
    »Handgreiflich?«
    »Na ja, Folter und so. Nichts Schlimmes. Nur die Finger ein bisschen nach hinten biegen oder dem Befragten einen leichten Schlag in die Magengrube versetzen.«
    Honey warf sich die Tasche über die Schulter und nahm sich vor, einmal nachzusehen, ob heutzutage die Schnulzen nicht mehr ganz so konservativ waren wie in der guten alten Zeit.
    »Ich muss los.«
    Rasch wie eine Gazelle, wenn auch nicht ganz so graziös sprang Honey zur Tür.
    »Ich habe ein Problem«, rief ihr Gloria hinterher. »Ich brauche deine Hilfe.«
    »Dann sprich mit Lindsey. Ich komm später dazu.«
    Sie ließ die Tür mit einem Knall hinter sich zufallen. Bei ihrer |93| Mutter waren Probleme zu kleinen Päckchen mit der Aufschrift »Hausarbeit«, »laute Nachbarn«, »Auswahl der diesjährigen Kreuzfahrt für den Club Sechzig Plus« geschnürt.
    »Immer mit der Ruhe!«, rief Gloria ihr nach. »Und zeig’s ihnen!«

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    Bath ist Teil des Welterbes und berühmt für seine Eleganz, seine Kultur und seine unvergleichliche Geschichte. So sahen es die meisten Menschen. Manchmal war die Stadt allerdings auch sehr seltsam – zumindest in Honeys Augen.
    Als sie im Hotelfach anfing, hätte sie nie im Leben mit all diesen blutrünstigen Geschichten gerechnet. Und jetzt steckte sie mitten in einer Morduntersuchung.
    Nur war ihr dieser spezielle Mord ein wenig zu nah gekommen. Es war eine Sache, ein Verbrechen nach vollendeter Tat zu untersuchen. Aber es war etwas ganz anderes, wenn man die letzte Person war, die das Opfer lebend gesehen hatte – vielleicht sogar auch den Mörder!
    Honey blieb vor der eindrucksvollen Fassade des Garrick’s Head stehen und holte tief Luft. Dieser Teil von Bath hatte sich seit seiner Entstehung im achtzehnten Jahrhundert nicht sonderlich verändert. Sie sah zu den spiegelnden Fensterscheiben hoch. Wenn die Autos nicht wären, man hätte sich leicht vorstellen können, wieder in der Vergangenheit zu leben. So musste sich Honey darauf beschränken, nach den Spuren vergangener Bewohner Ausschau zu halten. Angeblich zeigte sich die Graue Dame manchmal an einem der Fenster im Obergeschoss oder neigte sich sogar über die Brüstung. Gegenwärtig spiegelten sich in den Fenstern nur der Himmel und einige Gebäude, genau wie man es erwarten würde. Honey hatte auch nie etwas anderes gesehen, so sehr sie es sich auch wünschte. Oder nicht wünschte.
    Mary Jane hatte ihr einmal

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