Mordkommission
geöffnet und Schubladen herausgezogen;
Gegenstände lagen auf dem Fußboden. Das verhieß ihm nichts Gutes, weshalb er die Polizei verständigte.
Die zuständige Polizeiinspektion beorderte eine Streife |146| zur Wohnung. Die Polizisten suchten nach Hinweisen auf den Verbleib von Alfred M., wobei sie sorgfältig darauf achteten, keine
Spuren zu vernichten. Bald schon wurde die Suche ausgedehnt, weitere Beamte wurden zur Unterstützung angefordert. Im Kellerabteil,
das zur Wohnung des vermissten Mieters gehörte, machten die Beamten schließlich die grauenhafte Entdeckung.
Nachdem der Kollege seinen Bericht beendet hatte, führte er uns zum Fundort des Leichnams. Der Keller des Altbaus war seit
vielen Jahren nicht mehr renoviert worden, er wirkte düster und grau. Verwinkelte Flure, feuchte, modrige Wände und eine große
Wasserpfütze im Gang, verwitterte Lattenverschläge und das alles nur spärlich beleuchtet von schwachen, verschmutzten Glühbirnen:
kein Ort, an dem man länger als unbedingt nötig verweilen mochte. Die Kollegen des Erkennungsdienstes berichteten uns, was
sie bislang festgestellt hatten. Die Situation wirkte irgendwie surreal, während die Kollegen in ihren weißen Schutzanzügen
ruhig und sachlich die schlimmen Verletzungen des Opfers beschrieben. Doch die Wirklichkeit ließ sich nicht verdrängen. Der
alte Mann lag inmitten einer großen Blutlache in seinem Kellerabteil, das von außen durch ein einfaches Vorhängeschloss gesichert
wurde. Die Lattentür des Abteils, die jetzt offen stand, war von innen mit einer Plastikplane verhängt. Dem Opfer war die
Kehle durch einen tiefen Schnitt durchtrennt worden. Selbst ein Laie konnte erkennen, dass jede ärztliche Hilfe zu spät kam:
Der Mann war tot. In diesem Moment trafen zwei Ärzte des Institutes für Rechtsmedizin am Tatort ein, die ich während der Herfahrt
angefordert hatte. In Abstimmung mit den Kollegen des Erkennungsdienstes führten sie erste Untersuchungen an der Leiche durch.
In dieser Phase war ich entbehrlich, sodass ich wieder vor das Anwesen ging, um mit den Angehörigen zu sprechen. Nachdem ich
ihnen mein Beileid ausgedrückt hatte, bat ich den Sohn und seine Familie darum, uns – soweit sie sich dazu in der Lage fühlten
– alle Informationen über den Getöteten zu geben, mit denen sie uns |147| vielleicht helfen konnten, das Motiv und damit den Täter zu ermitteln. Der Sohn war sofort einverstanden. Er wollte alles
dazu beitragen, damit der Täter so schnell wie möglich gefasst werden konnte.
Unterdessen war die Spurensuche in der Wohnung des Opfers in vollem Gang. Es bestand kein Zweifel daran, dass der Täter die
Wohnung durchwühlt hatte. Unklar war, ob er einen bestimmtem Gegenstand oder allgemein nach Geld oder Wertsachen gesucht hatte.
Dem Sohn zufolge befanden sich in der Wohnung weder ein nennenswerter Geldbetrag noch irgendwelche Wertsachen. Die beiden
Katzen von Alfred M. hatten sich völlig verängstigt versteckt. Der Kollege, der sie schließlich hervorholte, hatte sichtlich
Mühe, sie in ihre Transportkisten zu stecken. Sie wurden zur weiteren Versorgung dem Sohn des Opfers übergeben.
Nach und nach trafen telefonisch die ersten Erkenntnisse aus den Vernehmungen der Angehörigen und der Befragung von Wohnungsnachbarn
bei uns ein. Wie sich herausstellte, hatte der Rentner seit einiger Zeit Kontakt zu einer vierzigjährigen Frau aus der Nachbarschaft
gehabt, die ihn regelmäßig besuchte. Da die Frau in einer festen Beziehung lebte, war es theoretisch denkbar, dass ihr Lebensgefährte
hinter den Besuchen bei Alfred M. eine intime Beziehung vermutete und eifersüchtig war. Dieser Möglichkeit mussten wir unbedingt
nachgehen. Mein Stellvertreter und ein weiterer Kollege erboten sich sofort, die Frau und ihren Lebensgefährten zu vernehmen.
Wir alle hofften, mit unserer Vermutung nicht ganz falsch zu liegen. Denn andere Ansatzpunkte hatten die Vernehmungen und
Befragungen nicht ergeben. Der Leichnam wurde abgeholt, die Wohnung und das Kellerabteil versiegelt. Es war mittlerweile Abend
geworden, die Spurensicherungsmaßnahmen – die sich bei Kapitalverbrechen auch über mehrere Wochen hinziehen können – würden
am folgenden Tag fortgesetzt. Wir fuhren zur Dienststelle, wo eine Fülle von Schreibarbeiten auf uns wartete. Die Kollegen
hatten die Bekannte von Alfred M. und ihren Lebensgefährten mittlerweile ausfindig gemacht und vernahmen Letzteren
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