Mordlast
scheinbar schon alles weißt, erzähle ich es eben deinen Kollegen.« Heinzelmann sah von Andreas Rach zu Ólafur Davídsson und dann zu den beiden Kollegen von Engbers.
Engbers sah ihn dabei verächtlich an.
»Wird durch gesäuerte Lebensmittel oder auch durch Säuren, die sich im Mund aus Zucker bilden können, der pH-Wert deutlich abgesenkt, so kann es zur Schädigung des Zahnschmelzes kommen und damit zu Zahnkaries.«
»Und dann kommt die Zahnfee«, warf Engbers ein, aber Heinzelmann sah ihn auch jetzt nicht an.
»Wir haben tatsächlich jedoch keine Hinweise auf ein größeres Kariesproblem gefunden.«
»Also hat sich unser Opfer durch entsprechende Mundpflege davor geschützt?« Die Frage von einem der beiden Kollegen vom LKA war aufrichtig gemeint.
»Das könnte sein. Eine andere Möglichkeit ist, dass Bernd Propstmeyer erst vor Kurzem mit diesem sehr hohen Konsum von Orangen begonnen hat.«
»Aber dann hätten Sie doch nicht diese Verätzungen an den Fingern vorfinden können, oder?«
»Das ist nicht ganz richtig. Die Verätzungen kommen vermutlich durch das Schälen der Orange, und da reichen schon ein paar Dutzend Stück aus, um sich die Fingerkuppen zu verätzen.«
»Wir haben aber keine Orangenschalen am Tatort gefunden«, sagte jetzt Rach, der die ganze Zeit über interessiert zugehört hatte.
»Da ist noch etwas.« Heinzelmann lehnte sich jetzt so gut es ging in dem unbequemen Holzstuhl zurück. Er hatte jetzt auch die Aufmerksamkeit von Engbers und das freute ihn sichtlich. »Zitronensäure und die entsprechenden Salze, die man auch als Citrate bezeichnet, verhindern die Blutgerinnung. Deshalb konserviert man beispielsweise Blutspenden in Beuteln, die eine Citratpufferlösung enthalten. Auch verdünnt man das normalerweise dickflüssige Blut für Analysen mit einem Citratpuffer.«
»Und das bedeutet was?«, fragte jetzt Engbers und diese Frage war durchaus ernst gemeint.
»Der Tod bei der Strangulation ist wesentlich schneller eingetreten.«
Für einen Augenblick herrschte absolute Ruhe im Besprechungsraum.
»Warum hat Bernd Propstmeyer so viele Orangen gegessen? Was hat er damit bezweckt?« Davídsson durchbrach die Ruhe.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht hatte er Angst vor einer Krankheit?«
»Gut, das war also doch wissenswert. Gibt’s was Neues von der Spurensicherung?«
Rach richtete sich in seinem Stuhl auf und kratzte sich ein paarmal über das unrasierte Kinn. »Die Wohnung habt ihr ja gesehen. Alles alter Plunder aus den1940ern und 50ern. Soweit wir feststellen konnten, handelt es sich um Originale. Ich habe versucht herauszufinden, woher die Sachen stammen, aber bisher hatte ich dabei keinen Erfolg. Es gibt keine Antiquariate, die sich auf diese Zeit spezialisiert haben, und auch keine Flohmärkte oder ähnliche Tauschbörsen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es nach wie vor keine Mode ist, sich Möbel aus dieser Zeit in die Wohnung zu stellen.«
»Und private Haushaltsauflösungen?« Die Frage kam von Andreas Rach.
»Das habe ich mir auch schon überlegt. Wir sind dabei, aber das wird sehr lange dauern.«
»Wie passt der Kutschermantel zu den Möbeln?«, fragte jetzt Ólafur Davídsson.
»Fest steht eigentlich nur, dass er aus einer anderen Zeit kommt als die Möbel.«
»Und einem anderen Genre«, ergänzte Engbers.
»Dazu habe ich was.« Rach blätterte in einem mitgebrachten Notizblock. »Der Kutschermantel wird auch als Staubmantel oder Duster bezeichnet, weil er seinem Träger besonderen Schutz beim Sitzen auf einem Pferd, Kutschbock oder in neueren Zeiten auch einem Motorrad bieten soll. Entwickelt wurde der Staubmantel in den Pionierepochen Nordamerikas und Australiens.«
»Heute ist alles rein wissenschaftlich«, bemerkte Engbers. Davídsson war sich nicht ganz sicher, ob es zynisch gemeint war.
»Die Außenhaut des Mantels besteht entweder aus schwerer Baumwolle oder aus gewachster Baumwolle, die man als Waxed Cotton oder Oilskin bezeichnet, oder aus Leder. Propstmeyer trug einen Mantel aus gewachster Baumwolle.«
»Ein Toter, der auf ausgefallene Sachen steht«, fasste Engbers mit einem schmutzigen Grinsen zusammen.
»Oder ein Motorradfahrer mit geerbten Möbeln«, gab Davídsson zu bedenken.
»Mhm. Das wäre auch eine Möglichkeit«, sagte Rach, der diese Variante offenbar noch nicht in Betracht gezogen hatte.
»Ich würde mir so einen Müll nicht in die Wohnung stellen, auch wenn ich ihn geerbt hätte. So sehr würde ich niemanden lieben«, sagte
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